Wir schreiben das Jahr 1839: Charles Goodyear hat gerade das Vulkanisieren entdeckt und natürlicher Kautschuk erlebt seinen großen Durchbruch. Luftgefüllte Reifen, Schläuche, elastische Bänder – alles scheint möglich. Doch mit dem Boom des Naturkautschuks offenbaren sich mit der Zeit auch seine Schwächen. Öl oder Benzin? Lassen ihn aufquellen. Eiseskälte? Macht ihn spröde. Hitze? Verwandelt ihn in eine klebrige Masse. Kurzum: Natürlicher Kautschuk ist ein geniales Produkt – aber kein perfektes.
Das führte zu einem regelrechten Wettlauf in den Laboren der damaligen Welt. Ingenieure und Chemiker rangen danach, solche Elastomere zu finden, welche die mechanische Flexibilität des Naturkautschuks mit verbesserter chemischer Beständigkeit kombinieren. So begann die Erfolgsgeschichte der Synthesekautschuke, zu denen auch der Nitrilkautschuk (NBR) gehört.
Was macht NBR nun zum Werkstoff der Wahl für die Fertigung von Gummischläuchen, Dichtungen wie O-Ringen oder Halbzeugen wie Gummimatten? Und welche Rolle spielen diese Produkte in unserer technologisch fortgeschrittenen Welt?
Was ist NBR?
Bei Nitrilkautschuk, korrekt eigentlich Acrylnitril-Butadien-Kautschuk und zumeist als NBR abgekürzt (engl. Nitrile Butadiene Rubber), handelt es sich um ein Polymer aus der Gruppe der Synthese-Kautschuke. Es sind auch andere Bezeichnung geläufig, wie etwa NBR-Gummi, Nitril-Gummi, Nitril-Butadien-Kautschuk oder der Handelsname Perbunan® des deutschen Spezialchemie-Konzerns Lanxess.
Das synthetische Elastomer wird mittels Copolymerisation von Acrylnitril (ACN), dem Nitril der Acrylsäure, und dem zweifach ungesättigten Kohlenwasserstoff 1,3-Butadien hergestellt. Diese beiden Bausteine verleihen dem Material seine besonderen Eigenschaften: Der Anteil an Acrylnitril sorgt für chemische Beständigkeit gegenüber Ölen, Kraftstoffen und anderen aggressiven Chemikalien, während die Butadien-Komponente die Elastizität und Flexibilität garantiert. Das Farbspektrum des Rohmaterials reicht von gelblich über orange zu rötlich, je nach Hersteller.
Nitrilkautschuk enthält in seiner Hauptkette Doppelbindungen und zählt daher zur Gruppe R der synthetischen Kautschuke. Diese Doppelbindungen können einerseits für die Vulkanisation zu Gummi genutzt werden, diese erfolgt mit Schwefel bzw. Schwefelverbindungen oder Peroxiden. Andererseits lassen sich die C=C-Doppelbindungen auch hydrieren, wodurch aus NBR hydrierter Acrylnitril-Butadien-Kautschuk-Kautschuk (HNBR) mit gesättigter Hauptkette entsteht. Eine weitere NBR-Variante ist carboxylierter Nitril-Butadien-Kautschuk (XNBR), ein Terpolymer aus Butadien, Acrylnitril und 1 bis 7 % Acrylsäure oder Methacrylsäure. Über die Carboxygruppe lässt sich dieses Polymerisat auch mittels Metalloxiden vernetzen.
Eigenschaften von Nitrilkautschuk
Das richtige Verhältnis von Acrylnitril und Butadien
Die Monomere Acrylnitril und Butadien sind in jedem beliebigen Verhältnis polymerisierbar. Je nach Verwendungszweck kann der Acrylnitrilgehalt angepasst werden, typischerweise liegt er zwischen 18 und 50 Gewichtsprozent. Dieser Anteil hat starke Auswirkungen auf die Eigenschaften des NBR: Ein Acrylnitrilgehalt von über 40 Gewichtsprozent sorgt für eine hohe Öl- und Kraftstoffbeständigkeit, verringert jedoch die Flexibilität bei niedrigen Temperaturen. Ein niedriger Acrylnitrilgehalt von 18 Gewichtsprozent führt zu einer sehr guten Tieftemperaturflexibilität, jedoch zu Lasten der Beständigkeit gegenüber Mineralölen, Diesel oder Benzin.
Da für viele Anwendungszwecke beide Eigenschaften erwünscht sind, kommen Gummis mit einem Acrylnitrilgehalt zwischen 33 und 38 Gewichtsprozent am häufigsten zum Einsatz. So beispielsweise häufig bei NBR-Schläuchen, die als flexible, gummielastische Kraftstoffschläuche und Benzinschläuche zum Einsatz kommen.
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NBR im Vergleich zu anderen Synthesekautschuken
Nitrilkautschuk zeichnet sich im Gegensatz zu anderen Kautschuken wie etwa Naturkautschuk (NR) oder Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) insbesondere durch seine ausgezeichnete Kraftstoffbeständigkeit aus. Im Vergleich zu Chloroprenkautschuk (CR) oder Silikonkautschuk (VMQ) ist es zudem deutlich günstiger.
Neben Kraftstoffen weisen NBR-Elastomere auch eine gute bis sehr gute chemische Beständigkeit gegenüber anderen aliphatischen Kohlenwasserstoffen, Fetten und Ölen, Silikonölen, Alkoholen, Wasser und nicht oxidierenden Säuren auf. Nicht beständig sind sie jedoch gegenüber aromatischen und halogenierten Kohlenwasserstoffen, Ketonen, Estern, starken Säuren und Laugen, oxidierenden Chemikalien sowie UV-Strahlung und Ozon.
Vorteile von HNBR und XNBR
Die meisten NBR-Gummis sind für einen Einsatz im Temperaturbereich zwischen -20 °C und +100 °C geeignet. Hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften sticht NBR durch gute Abriebfestigkeit, Zug- und Reißfestigkeit, Stoßelastizität und einen geringen Druckverformungsrest hervor.
Noch bessere Werte hinsichtlich Hitze- und Alterungsbeständigkeit, Abriebwiderstand, Zug- und Reißfestigkeit erhält man mit HNBR, welches in einem Temperaturbereich von -30 °C und +150 °C bei guter Langzeitstabilität eingesetzt wird. Aufgrund der aufwendigen, mehrstufigen Hydrierung der Doppelbindungen in der Hauptkette ist dieser Werkstoff aber auch etwa zehnmal so teuer. Der Werkstoff wird beispielsweise zur Fertigung von Dichtungen eingesetzt.
Der erhöhte Vernetzungsgrad von XNBR wiederum bewirkt unter anderem eine verbesserte Stoßelastizität sowie eine höhere Beständigkeit gegenüber Quellung und Abrieb, die Beständigkeit gegenüber Wasser und die Flexibilität bei tiefen Temperaturen ist dagegen vermindert.
Die drei Nitril-Kautschuktypen lassen sich allgemein durch Extrudieren, Kalandrieren, Pressen, Spritzgießen und Vulkanisieren weiterverarbeiten, sie sind zudem streich-, kleb- und schneidbar.
Verwendung von Nitrilkautschuk
Die Vielseitigkeit von Nitrilkautschuk zeigt sich in seinen vielseitigen Anwendungsfeldern. Insbesondere dort, wo Elastizität und Beständigkeit gegenüber Ölen und Kraftstoffen gefragt sind, kann NBR seine Stärken ausspielen. Der Großteil der globalen Produktion an Nitrilkautschuken wird in der Automobilindustrie verarbeitet, hauptsächlich in der Reifenherstellung. Aber auch für die Fertigung von Elastomerschläuchen, Halbzeugen und O-Ringen kommt NBR zum Zug.
Schläuche aus NBR
Aufgrund der herausragenden Beständigkeit gegenüber Kraft- und Schmierstoffen werden aus NBR Schläuche gefertigt, die als Öl- und Kraftstoffschläuche in der Öl- und Gasindustrie, im Automobilsektor oder in der Luftfahrt und Schwerindustrie eingesetzt werden. NBR-Schläuche sind jedoch ebenso als Chemieschläuche, Industrie- und Wasserschläuche einsetzbar.
Kraftstoffschläuche und Ölschläuche
NBR-Öl- und Kraftstoffschläuche sind beständig gegenüber Benzin, Diesel und Ethanol sowie Schmierölen, Fetten und Hydraulikflüssigkeiten. Als Treibstoffleitungen widerstehen sie den widrigen Bedingungen unter der Motorhaube und gewähren den sicheren Transport des Kraftstoffs, auch bei erhöhten Außentemperaturen. Sie behalten selbst bei niedrigen Temperaturen ihre hohe Flexibilität, weswegen sie auch als Kühlmittelschläuche Verwendung finden, etwa in Automobilen zur Zirkulation von Kühlflüssigkeit in Motoren oder in Maschinenkühlkreisläufen der Industrie.
Ölschläuche aus NBR werden ferner In der Hydraulik und Pneumatik zur Übertragung von Druckflüssigkeiten und für die Schmierung beweglicher Teile von Industriemaschinen genutzt. Eine spezielle Ausführung von Kraftstoffschläuchen aus Nitrilgummi sind Biodieselschläuche zur Förderung von E10 und Biodiesel.
Industrieschläuche
Industrieschläuche aus Nitrilkautschuk sind dank ihrer antistatischen Ausrüstung leitfähig. Als Druckträger fungieren eine verzinkte Stahldrahtwendel sowie ein in die Gummischläuche eingearbeitetes Textilgeflecht, wodurch dieser Schlauchtyp bei Raumtemperatur einem Druck von bis zu 16 bar standhält.
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Chemieschläuche
NBR-Chemieschläuche mit Shore-Härte A 70° weisen eine ausgezeichnete mechanische Festigkeit sowie hervorragende gummielastische Eigenschaften auf. Im Temperaturbereich von -20 °C bis +100 °C können sie dauerhaft eingesetzt werden.
Hochdruckschläuche
Höheren Drücken halten die Hochdruckschläuche aus Acrylnitril-Butadien-Kautschuk stand. Auch diese Schlauchtype ist mit einer Stahldrahtspirale verstärkt, erlaubt aber Betriebsdrücke von bis zu 250 bar. Die Innenseele ist aus NBR, der Außenmantel aus CR gefertigt.
Lebensmittelschläuche
Dank der physiologischen Unbedenklichkeit von Acrylnitril-Butadien-Kautschuk werden daraus gefertigte Schläuche auch in der Pharmaindustrie, der Molkereiwirtschaft, der Softdrinkindustrie und der Lebensmittelindustrie eingesetzt, etwa als Molkereischläuche oder bei der Verarbeitung anderer fetthaltiger Produkte wie Schokolade oder Mayonnaise. Die Innenseele dieser FDA-konformen bzw. BfR-konformen Lebensmittelschläuche ist weiß und glatt, der Außenmantel blau und als Lebensmittelschlauch gekennzeichnet.
O-Ringe, Rundschnüre und andere Dichtungen aus NBR
Rundschnüre und O-Ringe sind wichtige Vertreter statischer Dichtungen. Dank ihrer elastischen Eigenschaften sind sie in der Lage, Unebenheiten von Dichtflächen auszugleichen und dadurch ungewollte Stoffübergänge zwischen zwei getrennten Räumen sicher zu unterbinden.
O-Ringe aus NBR gelten im Bereich von -20 °C bis +100 °C als Standard für Hydraulik- und Pneumatikanwendungen in der chemischen Prozesstechnik, der Verfahrenstechnik, in der Petrochemie oder im Maschinenbau. Ursachen hierfür sind unter anderem die hohe Abriebfestigkeit, die geringe Gasdurchlässigkeit und die hohe Resistenz des Werkstoffs gegenüber aliphatischen Kohlenwasserstoffen, Kraftstoffen sowie pflanzlichen und tierischen Ölen.
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Ferner eignen sich solche Rundringe, die sowohl metrisch als auch zöllig angeboten werden, auch sehr gut als hygienische Dichtringe in der Pharmatechnik. Aus denselben Gründen gelten auch NBR-Rundschnüre mit Shore-Härten A von 50° und 70° zu den meisteingesetzten Dichtungen, insbesondere bei Kontakt zu Schmierölen und Kraftstoffen wie Benzin und Diesel. Auch NBR-Flachdichtungen oder NBR-Clampdichtungen sind erhältlich.
Noch bessere Hitze- und Dampfbeständigkeit, Abriebfestigkeit und Oxidationsstabilität bieten Dichtungen aus partiell oder vollständig hydrierten NBR-Polymerisaten (HNBR).
Gummiplatten
Auch Gummiplatten aus Nitrilkautschuk sind in vielen Industriezweigen unverzichtbar. Je nach Anforderungen werden sie in verschiedenen Ausführungen gefertigt, die sich in Materialzusammensetzung, Dicke und Härtegrad unterscheiden.
Standard-NBR-Platten sind die gängigste Variante. Sie werden aus elastomerem Vollmaterial in Shore-Härten A 65° und 80° angeboten und bieten eine ausgewogene chemische Beständigkeit sowie gute mechanische Eigenschaften. Verwendet werden sie vor allem als Dichtungsmaterial. Ihre Fähigkeit, Öle und Fette abzuweisen, macht sie auch zu einer beliebten Wahl in Werkstätten und Tankstellen.
Mit Baumwollgewebe-Einlage verstärkte NBR-Platten weisen eine erhöhte Zugfestigkeit und Abriebfestigkeit auf. Dieser Typus ist ideal für Anwendungen, in denen hohe Drücke oder stärkere mechanische Belastungen auftreten, wie etwa in Hydraulikanlagen, Druckbehältern oder bei der Herstellung robuster Maschinenteile.
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FDA-konforme NBR-Platten werden speziell für den Kontakt mit Lebensmitteln oder pharmazeutischen Produkten hergestellt. Diese lebensmittelechten Matten genügen den strengen Hygienevorschriften gemäß FDA und BfR, weswegen sie in der Lebensmittelproduktion Verwendung finden, etwa in der Abdichtung von Anlagen mit Kontakt zu fetthaltigen Substanzen wie Speiseölen.
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Mit seinen einzigartigen Eigenschaften hat sich NBR in einer Vielzahl von Anwendungen bewährt. Von der winzigen Dichtung über Schläuche bis hin zu großflächigen Elastomermatten – Nitrilkautschuk ist aus dem industriellen und alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Die RCT Reichelt Chemietechnik, Ihr europaweit bekannter Fachpartner im Bereich Labor- und Dichtungstechnik, hält eine große Auswahl hochqualitativer Gummischläuche, Halbzeuge und O-Ringe permanent auf Lager, und zwar in einer großen Bandbreite unterschiedlicher Shore-Härten und Dimensionen. Wir freuen uns auf Ihre Bestellung!
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