Weißer Polystyrolschaum

Polystyrol – Was kann der Kunststoff (eigentlich nicht)?

Ob nun Polystyrol, Polystyren, Styropor oder PS – das Material ist so vielfältig einsetzbar wie seine Namen. Der thermoplastische Kunststoff machte 2023 etwa 5,2 %[1] der weltweit produzierten Kunststoffe aus. Obwohl ursprünglich für andere Zwecke eingesetzt, ist PS als Dämmstoff heute besonders verbreitet. Doch welche Eigenschaften machen es so besonders? Und was wird aus Polystyrol hergestellt? Dieser Beitrag bietet Antworten auf diese Fragen und zeigt, warum Polystyrol besonders relevant ist.

Geschichte von Polystyrol

Der Siegeszug von Polystyrol begann in den 1930er Jahren als der damals größte europäische Konzern IG Farben die umfangreiche technische Herstellung begann.

Polystyrol wurde schon im 19. Jahrhundert erstmals in Deutschland synthetisiert, erlangte aber erst im 20. Jahrhundert größere Aufmerksamkeit. Zu Beginn wurden hauptsächlich Kunststoffgeschirr und andere Haushaltsgegenstände aus PS produziert.

Anfangs wurden mit PS beispielsweise Kabel isoliert. 1949 entwickelte der deutsch-österreichische BASF-Chemiker Fritz Stastny (1908 – 1985) dann das Schäumen von Polystyrol und meldete sein zufällig entdecktes Herstellungsverfahren unter dem bekannten Namen Styropor zum Patent an. Seitdem hat sich PS als einer der am weitesten verbreiteten Kunststoffe etabliert.

PS wirkt sich wegen seiner Verbreitung zunehmend auch auf die Umwelt aus, da das Material nicht immer richtig entsorgt und recycelt wird. Einige Firmen beschäftigen sich bereits mit modernen Verfahren, um PS einem Wertstoffkreislauf zuzuführen oder es gänzlich zu vermeiden.

Was ist Polystyrol für ein Material und wie wird es hergestellt?

Polystyrol zählt zu den Plastomeren, ist also ein thermoplastischer Kunststoff. Thermoplastisch bedeutet, dass PS unter bestimmten Temperaturen verformbar ist. Wie der Name schon sagt, besteht Polystyrol aus einer Vielzahl von Styrol-Monomeren. Styrol, genau bezeichnet als Phenylethen, setzt sich aus einer Vinyl- und Phenylgruppe zusammen, weshalb es auch als Vinylbenzol bezeichnet wird.

Styrol wird entweder durch Dehydrieren von Ethylbenzol oder Alkylieren von Benzol mit Ethen hergestellt. Ethylbenzol ist ein direktes Nebenprodukt der Erdölraffination und wird aus Pyrolysebenzin destilliert. Anschließend wird Ethylbenzol unter Anwesenheit eines Aluminium- oder Eisenoxidkatalysators bei hohen Drücken und Temperaturen katalytisch dehydriert.

Polystyrol entsteht durch eine radikalische Polymerisationsreaktion, bei der Styrol-Monomere unter Zugabe von Initiatorverbindungen wie Benzoylperoxid oder Azo-Verbindungen erhitzt werden. Die Initiatorverbindungen erzeugen Radikale, die das Verketten von Styrol-Monomeren veranlassen, um Polystyrol-Moleküle zu bilden.

Struktur von Polystyrol
Struktur von Polystyrol

Die Polymerisation verläuft exotherm, wobei etwa 74,5 kJ/mol an Wärmeenergie freigesetzt werden. Das Gemisch aus Mono- und Polymeren wird bei circa +230 °C im Entgaser von überschüssigem Styrol befreit, wobei man einen Umsatz von rund 90 % PS erreicht.

Das entstandene Polystyrol lässt sich in Form von Pellets oder Granulat transportieren und weiterverarbeiten. PS tritt als transparenter oder leicht trüber Kunststoff mit einer glatten Oberfläche und einer glasartigen Textur auf. Polystyrol kommt in kristalliner (hart) und amorpher Form (glasig) vor.

Wie wird Styropor hergestellt?

Expandiertes Polystyrol (EPS), auch bekannt unter dem Markennamen Styropor, wird in einem mehrschrittigen Prozess hergestellt. Zunächst werden Perlen aus Polystyrolharz bei circa +90 °C mithilfe von Wasserdampf vorgeschäumt. Währenddessen dringt Luft ins Innere der Perlen, weshalb sich der thermoplastische Kunststoff um das 20- bis 50-fache seines ursprünglichen Volumens ausdehnt und gleichzeitig offene Zellstrukturen bildet.

Dadurch besteht Styropor aus etwa 98 % Luft und nur 2 % PS. Die Schaumstoffperlen werden in Formen gefüllt und bei Erwärmen mit Wasserdampf bei etwa +115 °C aufgeschäumt und untereinander verschmolzen.

Danach wird der expandierte Polystyrolschaum abgekühlt, um auszuhärten und die Zellstrukturen zu stabilisieren. Der Aufschäumungsgrad bestimmt die Dichte der später produzierten Schaumstoffplatten und liegt bei 10 bis 35 kg/m³. Letztlich werden die Kunststoffplatten mit mechanischen oder thermischen Sägen zugeschnitten.

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von expandiertem Polystyrol (EPS)
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von expandiertem Polystyrol (EPS)

Eine andere Methode, um Polystyrolschaum herzustellen, ist die Extrusion. Der so produzierte Schaumstoff wird als Extrudiertes Polystyrol (XPS) bezeichnet. Geschmolzenes Polystyrolharz wird dabei durch eine beheizte Düse gepresst und durch Druck und Hitze expandiert. Während des Prozesses kommt ein Triebmittel wie Pentan oder Kohlendioxid zum Einsatz, das flüssige Materialien unter Hitze aufschäumt.

Der so hergestellte Polystyrol-Extruderschaumstoff hat eine geschlossenzellige Struktur, einzelne Zellen sind also nicht untereinander verbunden. Vor allem hierin unterscheiden sich EPS und XPS, da in EPS die Zellen untereinander verbunden sind. XPS hat deshalb eine höhere Wärmedämmfähigkeit und Dichtigkeit sowie eine geringere Flammbarkeit als EPS.

Verwendung von Polystyrol

Polystyrol findet sich heute in vielen Produkten wie Verpackungen, Behältern, Geschirr, Schaumstoffen und Isolierungen. Aufgrund seiner hohen Transparenz eignet sich das Polymer auch gut für optische Anwendungen wie die Mikroskopie und Fluoreszenzmessungen.

Makro-Küvette aus PS - glasklar Präparatedose aus PS - mit Schraubverschluss

Häufig wird PS für Verbrauchsmaterialien in der Laboranalytik verwendet, etwa für Laborröhrchen und Küvetten. Vielfach bestehen aus diesem Material auch Laborflaschen, Schalen und Tiegel, Pipetten und Griffe für Skalpelle und Messer. Selbst Halbzeuge wie Kunststoffplatten, aber auch Durchflussmesser oder Filtrationselemente machen sich die Eigenschaften von Polystyrol zunutze.

Als Schaumstoff wird PS in Helmen eingesetzt, um Stöße zu absorbieren und den Kopf des Trägers vor Verletzungen zu schützen. Wegen seiner besonderen Eigenschaften verlangt der Einsatz von Polystyrol als Schaumstoff besonderes Augenmerk. Das Bauwesen produziert zum Beispiel Dämmplatten aus PS, die in Böden, Wänden und Dächern verbaut werden. Dank der eingelagerten Luft eignen sich XPS und EPS als Dämmstoff, wobei XPS für Dämmungen mit besonders hohen Anforderungen verwendet werden kann.

Universal-Messpipette aus PS Platte aus PS

EPS und XPS sind außerordentlich druckfest, leicht und vielseitig einsetzbar. Verwendet werden sie sogar in isolierenden Systemen wie Kühlschränken und Kühltruhen, damit diese mit weniger Energie kühlen. Sie werden nicht nur zum Dämmen eingesetzt, sondern dank ihrer Stoßfestigkeit auch als Verpackungsmaterial von empfindlichen Produkten wie Elektronikartikeln. Außerdem kann Schall durch Polystyrolschaum gehalten werden, wozu insbesondere EPS zum Einsatz kommt. XPS wiederum eignet sich ideal für den Modell- und Prototypenbau, wo dessen Leichtigkeit und Formbarkeit vorteilhaft sind.

Grundsätzlich ist PS-Hartschaum (XPS wie auch EPS) ein leicht entflammbarer Dämmstoff, der im Brandfall schädliche Gase freisetzt. Beim Hausbau sind deshalb Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Brandsicherheit zu gewährleisten. Bromierte Flammschutzmittel (engl. brominated flame retardants, BFRs) sind eine besonders wichtige Stoffgruppe von flammhemmenden Stoffen, die in Verbindung mit XPS und EPS eingesetzt werden. BFRs sorgen dafür, dass sich Flammen langsamer ausbreiten und sich weniger toxische Gase im Brandfall bilden können. Leider sind BFRs umwelttechnisch betrachtet sehr bedenklich und deshalb in der EU verboten oder nur eingeschränkt nutzbar.

Persistenz, Wiederverwendbarkeit und Recycling

Wie auch bei anderen Kunststoffen, ist die Frage des Recyclings und der Wiederverwendbarkeit von Produkten aus PS nicht abschließend geklärt. Der allgemeine Ansatz zur Reduktion von Kunststoffabfällen ist wie folgt priorisiert: Reduce, Reuse, Recycle – vermeiden, wiederverwenden, recyceln. Global gibt es diverse Ansätze, PS und Polystyrolschäume einer Kreislaufwirtschaft zuzuführen, wovon die meisten auf Recycling basieren.

Beim mechanischen Recycling von Styropor wird sortenreiner PS-Abfall zu Granulat vermahlen. Dieses wird Produkten wie Dämmplatten oder Leichtbeton zugesetzt, wo es als Porenbildner fungiert. Lösemittelbasiertes Recycling wie das ChemCycling von BASF setzt darauf, PS-Produkte vollständig aufzulösen, um aus dem daraus resultierenden Pyrolyseöl neuwertiges Kunststoffmaterial zu erzeugen.

Alternativen für Polystyrol

Alternativen für Schaumstoffe aus PS sind vielfältig. Zum Beispiel Platten aus Moosgummi, Zellkautschuk und Schaumstoff aus Silikon dank ihrer Hitzebeständigkeit dort eingesetzt werden, wo EPS und XPS versagen würden. Wegen ihrer flexiblen und komprimierbaren Eigenschaften sind Silikonschäume auch in der Bauindustrie interessant, um Fugen und Spalten abzudichten. Geschäumte Silikone kommen außerdem als Schutz- und Isolierschläuche zur Wärmedämmung zum Einsatz.

Silikon-Isolierschlauch mit Ummantelung PUR-Isolierschlauch

Schaumstoffplatten aus Polyetherurethan (PEUR) werden dort eingesetzt, wo eine besonders hohe Elastizität, Abriebfestigkeit und Stoßdämpfung erforderlich sind. Da EPS und XPS tendenziell steifer und nicht sehr abriebfest sind, können sie in diesen Fällen durch PEUR-Schaumstoffplatten ersetzt werden.

In anderen Bereichen wird daran geforscht, Kunststoff im Allgemeinen zu vermeiden. Nachhaltige und vielversprechende Möglichkeiten bieten beispielsweise Verpackungen aus Myzel, den „Wurzeln“ der Pilze. Myzel kann in nahezu beliebige Formen gebracht werden, ist stoßresistent und dabei vollständig recycelbar. Allerdings dreht die Forschung an vielen Stellschrauben. Schon deshalb ist nicht abzusehen, ob und wann Myzel-Verpackungen die kunststoffbasierten Varianten ablösen werden.

Quellen:
[1]: https://plasticseurope.org/wp-content/uploads/2023/10/Plasticsthefastfacts2023-1.pdf
Bild-Quellen:
Beitragsbild | © NorGal - stock.adobe.com
Expandiertes Polystyrol im Elektronenrastermikroskop | Von HaefnerP - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=149092438

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