Aktivkohle und ihre Verwendungen

Ob als Filter zur Klärung von Flüssigkeiten, als Luftreinigungsfilter oder als medizinisches Entgiftungsmittel – die Anwendungsbereiche der Aktivkohle sind breit gefächert. Allein für Kabinenluftfilter in Kraftfahrzeugen werden jährlich weltweit mehr als 5000 Tonnen Aktivkohle verarbeitet. Einen großen Anwendungsbereich stellt auch die Trink- und Brauchwasseraufbereitung dar, wobei ein Wasserwerk mehrere Tonnen am Tag verbrauchen kann.

Aktivkohle – ihre Gewinnung und Eigenschaften

Was macht diesen Stoff, der häufig nur A-Kohle genannt wird und fast vollständig aus Kohlenstoff besteht, eigentlich so besonders?

Aktivkohle ist ein hoch poröses Adsorbens. Sie wird aus organischem Material gewonnen, wie Holz und Kokosnussschalen, aber auch aus Schlachtabfällen und fossilen Grundstoffen, wie Braunkohle oder Torf.

Hierfür werden die organischen Ausgangsstoffe zunächst unter Luftausschluss bei Temperaturen bis zu +1000 °C thermochemisch zersetzt. Die hierbei erhaltenen festen Pyrolyseprodukte, die hauptsächlich aus elementarem Kohlenstoff bestehen, sind noch weitgehend kompakt. Um die für ein Adsorbens nötige hohe Porosität zu erreichen, werden sie in einem Folgeschritt mit einem Gasstrom aus Wasserdampf und Luft bei Temperaturen zwischen +800 °C und +1000 °C behandelt. Bei entsprechender Prozessführung setzt sich dabei ein Teil des Kohlenstoffs zu Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff um, analog zum Wassergasprozess der chemischen Industrie. Durch den Verlust von Kohlenstoffmasse als Folge der Gasbildung und die sich dabei einstellenden inneren Druckverhältnisse wird das Gefüge der kompakten Pyrolyseprodukte aufgeweitet und durchlöchert.

Eine andere Möglichkeit zur Gewinnung von A-Kohle beruht auf der Umsetzung der organischen Ausgangsstoffe bei +600 °C bis +800 °C mit wasserentziehenden Stoffen, wie Schwefel- oder Phosphorsäure. Auch Zinkchlorid ist dafür geeignet. Die Chemikalien werden anschließend mit Wasser ausgewaschen und der dehydratisierte, feste Rückstand aus Kohlenstoff in gleicher Weise, wie die Pyrolyseprodukte, aktiviert.

Die als grobe Granulate anfallende Aktivkohle enthält, abhängig von der Qualität des Ausgangsmaterials und der Herstellungsweise, bis zu zehn Prozent an mineralischen Beimengungen, hauptsächlich aus Silikaten. Sie nehmen zwar keinen nennenswerten Einfluss auf die universelle Adsorptionsfähigkeit der Aktivkohle, mindern jedoch deren Adsorptionskapazität.

Ein wenig Physik: Was ist Adsorption?

Die Adsorption ist ein Prozess, bei dem sich Flüssigkeiten oder Gase an der Oberfläche eines Feststoffs, dem Adsorbens, anreichern. Sie ist ein Oberflächenphänomen und beruht auf der physikalischen Wechselwirkung des sich adsorbierenden Stoffes mit der freien Oberfläche des Adsorbens.

Dieser Vorgang wird daher auch als Physisorption bezeichnet. Ist die Oberfläche des Adsorbens chemisch reaktiv und geht sie mit dem zu adsorbierenden Stoff eine chemische Bindung ein, spricht man von Chemisorption. Ein gleichartiger Effekt tritt ein, wenn die Oberfläche des Adsorbens mit einem chemisch reaktiven Reagenz beschichtet worden ist. In diesem Fall erfolgt die Adsorption durch die chemische Bindung an der Beschichtung, das Adsorbens liefert dafür dann lediglich die große Oberfläche.

Nicht zu verwechseln ist die Adsorption mit der Absorption. Der Unterschied zwischen Absorption und Adsorption ist der Ort des Prozesses. Bei der Absorption werden Stoffe in das freie Volumen von Flüssigkeiten oder Feststoffen, dem Absorbens, aufgenommen und von dem Absorbens umschlossen. Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Lösen eines Gases in einer Flüssigkeit. Der Überbegriff für beide Vorgänge, Adsorption und Absorption, ist Sorption.

Anwendungen der Aktivkohle

Die entscheidende Voraussetzung für die Funktionalität der Aktivkohle als Adsorbens ist ihre sehr hohe Porosität und die damit einhergehende große innere Oberfläche. Sie kann bis zu 2000 m²/g bei einer Dichte von 0,3 bis 0,6 g/cm³ betragen.

Aktivkohle ist dadurch, im Gegensatz zu mineralischen Adsorbentien, wie Zeolithe mit Dichten um 2,5 g/cm³, sehr leicht. Ihre offenporige Struktur ist mit der von Naturschwämmen vergleichbar. Die äußeren Poren haben Weiten zwischen 2 bis 50 nm und stellen den Zugang zu tieferliegenden Nanoporen mit Weiten zwischen 0,1 bis 2 nm her, in denen die Adsorption maßgeblich stattfindet.

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Aktivkohle-Granulat
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Aktivkohle-Granulat

Da Aktivkohle nicht selektiv adsorbiert, ist sie ein nahezu universell einsetzbares Sorptionsmittel, auch für Stoffe, die chemisch nicht näher charakterisierbar sind. Sie ist essentiell für Anwendungen in der Filtration und kommt als Filtergranulat zum Einsatz. Damit beladene Filtergehäuse und Filterelemente, wie Kartuschen und Adsorptionsfilter, werden für zahlreiche Filtrationsanwendungen verwendet.

Luftreinigung mit Aktivkohle

In Fahrzeugkabinen, bei denen der Luftaustausch mit der Außenluft eingeschränkt ist, sind Ansammlungen von Schadstoffen unvermeidbar. Gleiches betrifft auch Kaufhäuser, Großraumbüros und Schulen. Meist stammen die Schadstoffe aus Farbanstrichen, Fußbodenbelägen oder verbauten Kunststoffen. Ebenso können sich Viren und andere Krankheitskeime in der Atemluft anreichern. Aber auch Gerüche, wie Schweiß, kalter Tabakrauch und Parfüms, können belastend sein. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch spricht man dann von „verbrauchter Luft“.

Über Umluftanlagen, die den Luftpool des betreffenden Bereiches kontinuierlich durch großflächige Aktivkohle-Filter leiten, wird die Atemluft durch Physisorption der Schadstoffe gereinigt. Im Haushalt mit offener Luftzufuhr genügen gewöhnlich Ablufthauben, die mit Aktivkohle-Filtermatten ausgerüstet sind, um Küchengerüche durch Adsorption zu eliminieren.

Trinkwasseraufbereitung

Die Bereitung von Trinkwasser durch Wasserwerke ist in Deutschland in der „Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“, der Trinkwasserverordnung (TrinkwV), geregelt. Die dafür eingesetzten Rohwässer sind meist Mischwässer aus Grundwasser und Oberflächenwasser, das aus Flüssen und Seen gewonnen wird.

Aktivkohle-Granulat-Sorbens auf Kokosnuss Basis Adsorber-Filterbehälter zur Gasreinigung

Vor allem das Oberflächenwasser ist durch Chemikalieneinträge aus der Landwirtschaft und Industrie mehr oder minder stark belastet. Aber auch Haushaltchemikalien aus ungeordnet entsorgten Abwässern und unsachgemäß eingesetzten Pflanzenschutzmitteln in Kleingärten können sich in Grund- und Oberflächenwässern wiederfinden.

Gesetzliche Aufgabe der Wasserwerke ist es, solche Stoffe im Verlauf der vielstufigen Wasserreinigungsoperationen zu entfernen. Das Problem dabei ist, dass die chemische Zusammensetzung der meisten Verunreinigungen gar nicht bekannt ist. Sie können deswegen nur als Summenparameter, wie AOX (adsorbable organic halogen-compounds), DOC (dissolved organic carbon) und TOC (total organic carbon) erfasst werden. Dank ihrer unspezifischen Adsorptionsfähigkeit ist Aktivkohle geeignet, solche Beimengungen aufzunehmen. Aktivkohlefilter sind daher ein integraler Bestandteil aller Trinkwasseraufbereitungsanlagen

Industrie-Abwasserbehandlung

Auch die Entlassung von Industrieabwässern in die Umwelt ist an strenge Auflagen gebunden. Deshalb sind interne Vorreinigungsschritte unerlässlich, die sich an den produktionsbedingt erwarteten Verunreinigungen, Schadstoffen und belästigenden Geruchsstoffen orientieren. Dass auch hierbei Aktivkohlefilter unverzichtbarer Bestandteil aller Vorreinigungsschritte sind, erklärt sich aus der geringen Selektivität von Aktivkohle bei der Adsorption. So werden beispielsweise mittels A-Kohlefiltern Produktionsabwässer von Textilfärbereien vor ihre Freigabe entfärbt und Abwässer aus Krankenhäusern über Aktivkohlefilter vorbehandelt, die vor allem mit Arzneimitteln und deren Artefakten belastet sind.

Aktivkohle in der Lebensmittelindustrie

In Bereichen der Lebensmittelindustrie werden Aktivkohlefilter zur Klärung von Flüssigprodukten genutzt. Das sind beispielsweise Mineralwässer, Limonaden und Gärprodukte wie Essig. Insbesondere bei der Herstellung veganer Produkte, wie veganem Wein, bei denen die Verwendung von Gelatine als Hilfsmittel zur Entfernung von Trübungen ausgeschlossen ist, stellt A-Kohle eine Alternative dar. Die dafür in Frage kommende Aktivkohle wird ausschließlich aus pflanzlichem Material unter hohen Temperaturen gewonnen, vorwiegend aus Kokosnussschalen, was ihre besondere Güte garantiert.

Aktivkohle ist in der EU als Lebensmittelfarbstoff E 153 zugelassen und darf auch in ausgewiesenen Bio-Produkten eingesetzt werden. Inzwischen hat A-Kohle sogar den Rang eines Nahrungsergänzungsmittels erlangt, das der „Entgiftung“ des Körpers dienen soll.

So sind zunehmend „black food“-Produkte in den Regalen der einschlägigen Geschäfte zu finden, wie Backwaren, Getränke und eine Vielzahl von „black smoothies“, alle mit erheblichen Anteilen von Aktivkohle.

Aktivkohle ist nicht nur als Granulat für die Filtration, sondern auch in Form von Kapseln, Tabletten und Pulvern im Handel erhältlich
Aktivkohle ist nicht nur als Granulat für die Filtration, sondern auch in Form von Kapseln, Tabletten und Pulvern im Handel erhältlich

Der ständige Konsum solcher Produkte ist sehr umstritten, weil A-Kohle als nicht selektives Adsorbens auch Vitamine und Mineralstoffe der Nahrung und damit dem Körper entzieht. Und auch Wirkstoffe von Arzneimitteln werden von Aktivkohle gebunden, so dass sie nicht mehr wirksam werden können.

Kosmetik

Ebenso wie im Lebensmittelbereich hat A-Kohle auch in den Kosmetikbereich Eingang gefunden. In „Schwarzen Seifen“ und Peeling-Produkten, wie in den sogenannten „black masks“, wird ihr eine porentiefe und antibakterielle Reinigungswirkung nachgesagt. Zahnpasten mit Aktivkohlezusatz sollen Bakterien im Mundbereich und damit unangenehmen Mundgeruch binden, vor allem aber sollen sie Zahnverfärbungen aufhellen.

Doch was ist davon zu halten? Aktivkohle in Seifen und Peelings ist selbstverständlich imstande, Ablagerungen auf der Haut durch milde Abrasion zu entfernen.

Wegen ihrer staubfeinen Aufbereitung kann Aktivkohle allerdings die Poren verstopfen, denn sie ist in Wasser unlöslich und somit auch nur schwerlich auswaschbar. Dadurch kann das Gegenteil dessen bewirkt werden, was mit einem „kohlefreien“ Produkt üblicherweise erreicht wird – eine porentiefe Hautreinigung.

Die Adsorption von Bakterien und die Geruchsbindung durch Aktivkohle in Zahnpasten sind unbestritten. Doch sie wirkt auch als hartes Schleifmittel. Dadurch kann zwar kurzzeitig eine Aufhellung der Zähne sichtbar werden, sie geht aber stets mit der Abtragung von Zahnschmelz einher. Deswegen wird von der dauerhaften Nutzung solcher Zahnpasten abgeraten.

Medizinische Anwendungen von A-Kohle

Die hohe, unspezifische Adsorption von A-Kohle ist auch für medizinische Anwendungen eine begünstigende Eigenschaft. Die „Carbo medicinalis“ genannte, hochreine Aktivkohle ist als Arzneimittel zugelassen und wird ausschließlich aus Pflanzenmaterial gewonnen. Sie wird in Auflagen von Verbänden bei äußeren Verletzungen und nach Operationen eingesetzt, um Keime, Wundgerüche und Exsudate zu adsorbieren.

Bei Durchfällen kann eine kurzzeitige Selbstmedikation mit Aktivkohletabletten angezeigt sein, denn Aktivkohle bindet im Magen-Darmtrakt sowohl Bakterien als auch bereits gebildete bakterielle Toxine. Medizinische Aktivkohle wird auch bei leichten Vergiftungen mit chemisch-toxischen Stoffen verabreicht, ausdrücklich davon genommen sind jedoch ätzende Stoffe.

Filtergehäuse aus SAN Filterelement mit Aktivkohle - Wasseraufbereitung

Die Einnahme von Aktivkohle ist ungefährlich, größere Mengen können aber zu Verstopfungen führen, zur Obstipation. Grund dafür ist der schnelle und erhebliche Wasserentzug im Darm, wodurch sich der Darminhalt verdickt und die Darmbewegung vermindert wird. Ebenso, wie der Konsum von „black-food“-Produkten kann die Einnahme von A-Kohletabletten auch zur Inaktivierung von Medikamenten führen, die dann als Adsorbat an A-Kohle ohne Wirkung ausgeschieden werden.

Vakuumtechnik

Ein allgemein weniger bekanntes Einsatzgebiet für A-Kohle ist die Vakuumtechnik. Mit üblichen Vakuumpumpen, wie Drehschieber- und Membranpumpen können Vakuen bis herab zu 10-3 mmHg (etwa 0,1 Pa bzw. 10-6 bar) realisiert werden. Mit nachgeschalteten Strahlpumpen, wie Öl- oder Quecksilberdampf-Pumpen, sind bis zu 10-5 mmHg möglich. Eine weitere Verbesserung eines Vakuums ist durch die Adsorption von Restgasen an A-Kohle erreichbar, deren Effektivität für die Adsorption von Permanentgasen, wie Luft-Stickstoff und –Sauerstoff, durch Tiefkühlung des Adsorbens mit Flüssigstickstoff auf -196 °C noch gesteigert werden kann.

Auf dieser Grundlage basieren Sorptionspumpen, die die Restgasmengen in einem bereits evakuierten System weiter minimieren. Hierbei wird die beladene Aktivkohle, die in Kühlfallen über Hahnverbindungen mit dem Vakuumsystem verbunden ist, getrennt, sodann durch separates Erhitzen regeneriert und danach dem Vakuumsystem zur erneuten Adsorption wieder zugeschaltet. Durch mehrfaches Wiederholen dieser Pumpvorgänge sind Hochvakuen bis zu 10-8 mmHg erreichbar.

Wiederaufbreitung oder Verbrennen?

Die Gewinnung von A-Kohle ist ein energieaufwändiger Prozess mit einem erheblichen Materialeinsatz. In Anbetracht der großen Mengen, die für Betrieb von Luftreinigungsanlagen, die Trinkwasseraufbereitung und die Abwasserbehandlung erforderlich sind, macht die Wiederaufarbeitung verbrauchter Aktivkohle durchaus Sinn. Nur die nicht mehr recyclebare A-Kohle, die bereits viele Regenerierungszyklen hinter sich gebracht hat oder mit hochtoxischen Stoffen belastet ist, wird in speziellen Anlagen mit Rauchgasentgiftung thermisch genutzt.

Adsorptionsfilter mit Aktivkohlegranulat Aktivkohle-Granulat-Sorbens - Quecksilber-Feinreinigung

Die Standard-Verfahrensweise für die Aufbereitung erschöpfter Aktiv-Kohle besteht im stufenweisen Ausheizen unter Luftausschluss und Temperaturen bis zu +900 °C, bei der die flüchtigen Adsorbatanteile verbrennen und die nichtflüchtigen Adsorbate pyrolysieren. Die so vorbehandelten Recyclate werden anschließend wieder aktiviert. Der Grund dafür, dass sich chemische Recycling-Verfahren bisher nicht durchsetzen konnten, ist der unvermeidbare Anfall von Reststoffen, die als Chemieabfälle gesondert entsorgt werden müssten.

Bild-Quellen: 
Beitragsbild | © hjschneider – stock.adobe.com
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Aktivkohle-Granulat | © Mydriatic, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
Tabletten mit Aktivkohle | © vegefox.com – stock.adobe.com

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.