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Antriebstechnik mit Normteilen der Industrie in Labor und Technikum

Die steigende Belastbarkeit der Materialien erlaubt inzwischen die Reduzierung der Größe von Bauteilen eines Antriebs, ohne dass dadurch die Haltbarkeit verringert wird. In Einsatzbereichen wie dem industriellen Maschinenbau beziehungsweise der Antriebstechnik werden viele Normteile in verschiedenen, auch reduzierten Größen verbaut, die sich auch für Laborgeräte, Experimentieranlagen und andere Technik-Installationen eignen. Diese Antriebselemente müssen als System trotz ihrer geringen Baugröße erhebliche Lasten aufnehmen und Kräfte übertragen. Hierfür kommen überwiegend Metalle zum Einsatz, zunehmend halten aber auch Kunststoffe Einzug in der Antriebstechnik.

Verschiedene Belastungen stellen unterschiedliche Anforderungen

Die Art der Belastung eines Antriebselements entscheidet mit über die Auswahl des Werkstoffs. Ein Werkstoff, der große Druckkräfte verträgt, kann bereits bei geringen Zugkräften nachgeben. Manche Werkstoffe beginnen hingegen bei Druckbeanspruchung zu fließen. Für die meisten Materialien ist die Beanspruchung auf Biegung oder Torsion besonders kritisch.

Antriebstechnik
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Bei einem Antrieb beispielsweise können auch größere Scherkräfte auftreten. All diese Belastungen sind mechanisch, aber sie prüfen die Widerstandskraft des Materials auf unterschiedlichste Arten. Neben der reinen Belastungsgrenze zählen besonders in der Antriebstechnik noch ganz andere mechanische Eigenschaften des Materials. Der Gleitreibungskoeffizient gibt zum Beispiel Aufschluss darüber, wie viel Reibung der Werkstoff im Vergleich zu anderen aufweist.

Gleitlagerbuchse aus Polyamid mit Bund Gleitlagerbuchse geschlitzt voellig ungeschmiert ohne Bund

Die Dichte und Härte des Werkstoffs informieren über das Dämpfungsverhalten. Auch die Beständigkeit gegenüber Lösungsmitteln oder anderen Chemikalien ist bei manchen Einsatzgebieten von entscheidender Bedeutung.

Normteile für die Antriebstechnik zwischen Maschinen, Motoren und Getrieben

Ein Antrieb hat die Aufgabe, eine gerichtete Kraft zu erzeugen und zu übertragen. In den meisten Fällen stellt ein Motor diese Kraft in Form einer kreisförmig angetriebenen Welle zur Verfügung. Zwischen dem eigentlichen Antrieb und den zu bewegenden Komponenten sind oftmals viele separate Teile erforderlich, um die Bewegung in die entsprechende Richtung zu lenken. Auch eine Änderung der Geschwindigkeit ist möglich, indem zwischen verschiedenen Größen von Wellen und Rädern gewechselt wird. Als Normteil bezeichnet man eine Komponente, die in einer Norm (beispielsweise DIN oder ISO) sehr genau festgelegt ist.

Kreuzgelenk UKM aus Kunststoff Wellenkupplung aus Polyester hochelastisch

Diese Normierung hat den Vorteil, dass die Funktion, Belastungsgrenzen und Abmessungen genau definiert sind und der Hersteller nicht hinter diesen Anforderungen zurückbleiben darf. Normteile bestechen außerdem durch den Vorzug, dass sie zeitlich unbegrenzt, auch nach Jahren noch, unabhängig vom Hersteller gegeneinander ausgetauscht werden können, ohne dass Nacharbeiten anfallen.

Ein Beispiel pro Normteil

Dies kennt man im Alltag einer Maschine, die Jahrzehnte zuverlässig Ihren Dienst verrichtet hat, der Hersteller und „originale“ Ersatzteile existieren aber schon lange nicht mehr oder diese sind weder im aktuellen Programm der GmbH noch irgendwo im Lager. Normteile geben dann die Möglichkeit, die Funktion der Anlage wieder herzustellen und sind grundsätzlich eine elegante, weil kostengünstige Lösung, alte Motoren und Getriebe wieder instand zu setzen. Heutige Antriebe im modernen Engineering sind so konstruiert, dass sie gänzlich mit Normteilen auskommen und mechanische oder elektrische Antriebe in Anlagen transparent und austauschbar sind. Folgende Technik-Normteile zur Übertragung der Energie gelten dabei als üblich für Maschinen in der Industrie.

Zahnräder in der Antriebstechnik

Zahnräder werden normalerweise durch Fräsen hergestellt und stellen ein grundlegendes Mittel zur Kraftübertragung im Maschinenbau dar. Sie werden auf einer Welle montiert und sind mit dieser entweder formschlüssig oder kraftschlüssig verbunden. Zahnräder übertragen die kreisförmige Bewegung der Welle auf andere Zahnräder oder Zahnstangen. Mithilfe der Zähne entlang der Außenseite kann ein Zahnrad mehrere Elemente gleichzeitig antreiben. Zur Übertragung größerer Kräfte werden sie aus Metall hergestellt, bei kleineren Kräften kommen auch Kunststoffe wie Polyamide (PA 6, PA 12) oder Polyoxymethylen (POM, Delrin®) zum Einsatz.

Stirnzahnrad aus Edelstahl rostfrei Modul 1,0-2,0 Stirnzahnrad aus Kunststoff gefraest Modul 0,5-2,0

Metall weist in den meisten Fällen eine größere mechanische Belastbarkeit auf, reagiert dafür aber empfindlich auf Feuchtigkeit (Korrosion) und verschiedene chemische Stoffe. Die chemische Beständigkeit von Kunststoffen ist in der Regel besser. So schaden Ihnen die meisten Oxidationsreaktionen nicht.

Zahnstange aus Edelstahl rostfrei

Dafür dürfen Sie größtenteils nicht mit starken Lösungsmitteln in Kontakt kommen. Auch eine Kombination der beiden Materialien in einem System ist möglich, etwa durch die Oberflächenbeschichtung mit Kunststoffen oder dem Eingießen der vorgefertigten Zahnräder aus Metall in Kunststoffe.

Kegelräder

Das Kegelrad benutzt das gleiche Prinzip wie ein gewöhnliches Zahnrad. Auch die Montage auf einer Welle ist identisch. Der Unterschied liegt darin, dass sich die Verzahnung nicht an der Stirnseite befindet, sondern auf der Oberseite.

Sie ist so angeordnet, dass eine Kraftübertragung auf andere Kegelräder im Winkel von 90° stattfindet.

Kegelräder können also zum Wechsel der Kraftrichtung eingesetzt werden. Sie werden überwiegend aus Metallen hergestellt, für kleinere Belastungen bietet sich auch Polyoxymethylen (Delrin®) an. Das wohl bekannteste Anwendungsbeispiel aus der Antriebstechnik ist das Kegelradgetriebe. Dieses besteht aus zwei Kegelrädern, die im rechten Winkel zueinander stehend in einem gemeinsamen Gehäuse verbaut sind.

Kegelrad aus Kunststoff gespritzt

Das Kegelradgetriebe kann zum Beispiel für Richtungswechsel oder zur Änderung des Wellendurchmessers eingesetzt werden. Diese Grundform des Getriebes ist klein in der Bauform, verschleißt wenig und weist eine hohe Ausfallsicherheit des Antriebs auf. Kegelradgetriebe kommen beispielsweise in handlichen Werkzeugen wie Bohrmaschinen zum Einsatz.

Trapezgewinde

Ein Gewinde ist immer zur Übertragung von Kräften in Längsrichtung gedacht, wobei die Kraft mit einer Drehbewegung erzeugt wird. Trapezgewinde unterscheiden sich von metrischen Gewinden dadurch, dass die Gewindegänge die Form eines Trapezes haben und das Gewinde eine höhere Steigung aufweist. Damit kann es deutlich größere Kräfte übertragen als ein vergleichbares metrisches Gewinde.

Trapezgewinde-Mutter mit Flansch einbaufertig

Die dadurch entstehende höhere Reibung hat den Vorteil, dass sich das Gewinde praktisch selbst gegen Verrutschen sichert. Im Maschinenbau werden Trapezgewinde beispielsweise für die Spindeln von Prozesswerkzeugen, aber auch von Kränen oder Hebebühnen benutzt.

Trapezgewinde-Spindel aus Edelstahl

Ebenso verfügen Handwerkzeuge wie Schraubzwingen häufig über diese Gewindeform. Im Regelfall werden Trapezgewinde aus Stahl gefertigt, da sie große Kräfte aufnehmen sollen.

Rollenkette

Dieses Bauteil der Antriebstechnik besteht aus vielen Kettengliedern, die jeweils in ihrer Mitte eine bewegliche Rolle besitzen. Die Rolle stellt hier den Kontaktpunkt mit dem zugehörigen Kettenrad dar und gewährleistet eine leichtgängige Kraftübertragung.

Kettenrad aus Acetalharz mit einseitiger Nabe

Die Rollenkette wird über Kettenräder gespannt, um etwa die Kraft von einem Rad als Antrieb auf ein anderes zu übertragen. Im Maschinenbau kleinerer Förderanlagen könnte dies beispielsweise genutzt werden, um den simultanen Antrieb mehrerer Förderbänder mit nur einem Motor umzusetzen.

Einfach-Rollenkette aus Kunststoff mit Edelstahl-Aussengliedern

Eine Rollenkette besitzt die gleiche Funktion wie ein Zahnriemen. Sie hat jedoch den Vorteil, dass sie aufgrund der innenliegenden Rollen mit extrem wenig Reibung läuft. Sie kann somit große Kräfte bei großen Kontaktflächen bei wenig Reibung übertragen. Meist werden die Rollenketten aus Stahl hergestellt, können allerdings auch aus Polycarbonat (Makrolon®) angefertigt werden.

Spannsätze

Ein Spannsatz wird in der Antriebstechnik zur Übertragung von Kräften zwischen einer Welle und einer Nabe genutzt. In den Raum dazwischen wird der Spannsatz eingesetzt. Er besteht meist aus zwei kegelförmigen Ringen, die mit Spannschrauben übereinander geschoben werden. Somit verringert sich der Innendurchmesser, während sich der äußere Durchmesser vergrößert. Der Spannsatz hält Welle und Nabe gleichzeitig fest.

Spannsatz BAR QPQ-beschichtet Spannsatz SIG Edelstahl rostfrei

Spannsätze werden mit und ohne Passfedernut hergestellt. Diese verhindert die Rotation des Spannsatzes vor dem Festziehen. Zum Lösen eines Spannsatzes ist in der Regel ein Abziehwerkzeug nötig, weil sich die Ringe aufgrund von Haftreibung auch nach dem Lösen der Spannschrauben nicht bewegen. Wegen der großen zu übertragenden Kräfte werden Spannsätze in der Regel aus Metall hergestellt.

Normteile in Maschinenbau und Antriebstechnik

Optimierte Herstellungsprozesse erlauben die Produktion von Kleinteilen mit einer immer größeren Präzision und Qualität. Ein Antrieb überträgt Kräfte zwischen mehreren Komponenten und sorgt damit unvermeidlich für Verschleiß der Antriebstechnik.

Praezisions-Hohlschnecke Praezisions-Schneckenrad

Teile der Antriebstechnik müssen deshalb regelmäßig getauscht werden. Mit dem Einsatz von Normteilen ist die Ersatzteilbeschaffung jedoch unproblematisch, weil ihre herstellerunabhängige Austauschbarkeit jederzeit gewährleistet ist. Wer auf Normteile beim Aufbau eines Antriebs setzt, hat damit unabhängige und flexible Lösungen bei der Suche nach Ersatzteilen parat. Kein Wunder, dass nach dem „Coronaschock“ 2020 das Jahr 2021 für die deutsche Branche für Antriebstechnik umsatztechnisch weltweit wieder an alte Erfolge aus den Jahren vor der Pandemie anknüpfen konnte. Auch dies spricht beispielsweise für die Deutsche Industrienorm DIN und für den Einsatz von Normteilen in der Antriebstechnik.

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.