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Elektrisch leitfähige Polymere

Denkt man an Kunststoffe, so fällt einem auf Anhieb sicherlich nicht ein, dass sie auch elektrisch leitfähig sein können! Schließlich sind wir gewohnt, dass Elektrokabel mit Kunststoffen isoliert sind. Höchstwahrscheinlich hat aber jeder von uns bereits einen solchen Kunststoff in der Hand gehabt. In unserem e-Reader, auf dem wir unser Lieblingsbuch lesen oder im Display des neuesten Smartphones sind elektrisch leitfähige Polymere verbaut. In den letzten Jahren wurde der Anwendungsbereich dieser Polymerklasse stetig erweitert. Den Grundstein dafür legten Ende der siebziger Jahre drei Forscher, der Amerikaner Alan Jay Heeger (*1936), der Neuseeländer Alan Graham MacDiarmid (1927 – 2007), der in den USA arbeitete, und der Japaner Hideki Shirakawa (*1936). Sie untersuchten leitfähige Kunststoffe und bekamen als Lohn für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf diesem Gebiet im Jahr 2000 den Nobelpreis für Chemie.

Elektrisch leitfähige Polymere und ein Rechenfehler…

Polymere können leitend werden, wenn sie ein delokalisiertes π-Elektronensystem aus alternierenden Einfach- und Doppelbindungen besitzen. Theoretische Überlegungen dazu gab es bereits in den fünfziger Jahren. Polyacetylen (PAC) war aufgrund seiner alternierenden Doppel- und Einfachbindungen ein potenzieller, erster Kandidat, um diese These zu überprüfen. Die Herstellung von Polyacetylen bereitete allerdings Schwierigkeiten. Der italienische Chemiker Giulio Natta (1903 – 1979) hatte sich als einer der ersten an dessen Synthese gewagt, jedoch nur ein schwarzes amorphes Pulver erhalten.

elektro-leitfaehigkeitskleber-einkomponentenIn den 1970er Jahren nahm der Japaner Hideki Shirikawa dessen Überlegungen wieder auf und versuchte sich erneut daran.

Für seine Synthese nutzte er, anders als Natta, ein Katalysatorgemisch aus einer Titan-organischen und Aluminium-organischen Verbindung. Bei der Katalysatormenge verrechnete sich allerdings sein Laborgehilfe – was sich als Glücksfall erwies. Denn da er zu viel einsetzte, änderten sich die Synthesebedingungen so gravierend, dass er statt eines schwarzen Pulvers einen dünnen, elektrisch leitfähigen Polyacetylenfilm erhielt. Es war der erste Kunststoff dieser Art.

Vor dem hatten Alan J. Heeger und Alan G. MacDiarmid die elektrische Leitfähigkeit von Poly-Schwefelnitrid (SN)x untersucht. Die Darstellung des anorganischen Polymers in der erforderlichen hohen Reinheit war allerdings sehr aufwändig und die Leitfähigkeit des Materials zeigte nur mäßige Werte.

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Die Kontaktaufnahme von MacDiarmid zu dem Japaner, der im Jahr 1975 zu einer Gastprofessur in Tokio verweilte, führte zur Zusammenarbeit der drei Wissenschaftler. Die Leitfähigkeit des Polyacetylens lag zu dieser Zeit noch im Bereich eines üblichen Halbleiters und es bedurfte sehr vieler, weiterführender Experimente und Erkenntnisse, um Polymere zu erhalten, die ebenso elektrisch leitfähig sind wie Metalle. Alternierende Doppel- und Einfachbindungen reichten nicht aus. Für einen echten Ladungstransport sind verschiebbare Ladungen entlang der Polymerkette erforderlich. Erst dadurch kann ein Kunststoff die Leitfähigkeit von Metallen erreichen.

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Den erwünschten Erfolg erzielten die drei Forscher schließlich durch die Dotierung von Polyacetylen mit Halogenen, von denen sich Iod als besonders effektiv erwies. Für ihre bahnbrechenden Arbeiten wurden Alan J. Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa im Jahre 2000 der Chemie-Nobel-Preis verliehen. Der Siegeszug für elektrisch leitende Polymere konnte beginnen.

Der Einzug in Alltagsprodukte …

Elektrisch leitfähige Polymere finden sich heute in einer Vielzahl an Produkten. So gibt es Displays und Flachbildschirme, organische Leuchtdioden (OLEDs), elektronisches Papier oder Solarmodule aus leitfähigen Kunststoffen.

Elektronik verändert sich

Elektrisch leitfähige Polymere bilden die Grundlage für die sogenannte organische Elektronik. Darunter versteht man das Aufbringen elektronischer Schaltungen und Schaltkreise aus elektrisch leitfähigen Polymeren auf dünne Folien. Das Aufbringen der Polymere erfolgt durch Bedrucken der Folie, zum Beispiel über modifizierte Tintenstrahldrucker. Dieses Verfahren ist relativ einfach zu realisieren und günstig.

Etwas aufwendiger ist das „spin coating“, auch Rotationsbeschichtung genannt, an das sich weitere prägetechnische oder fotolithografische Verfahren anschließen.

Relativ aufwendig ist die Gasphasenabscheidung, bei dem das Polymer im Vakuum verdampft und anschließend an bestimmten Stellen abgeschieden wird. Derartig bedruckte Folien haben mehrere Vorteile: sie sind biegbar, sehr dünn und können in den meisten Fällen kostengünstig hergestellt werden.

Herausforderungen in der Herstellung

So einfach sich das Verfahren zunächst anhört, ist es nicht ganz so trivial, einen organischen Schaltkreis zu bauen. Auf die Folie müssen mehrere Schichten mit einer Stärke von nur wenigen Nanometern aufgetragen werden, wobei sich leitfähige Kunststoffe und Isolatoren abwechseln. Ein Transistor, der wichtigste Bestandteil einer elektronischen Schaltung, besteht beispielsweise aus einer leitfähigen Elektrode, die von einem nur circa 10 nm dicken Isolator umgeben ist. Darauf kommt das elektrisch leitfähige Polymer, welches an seinen beiden Enden zwei Metallkontakte hat, die für den Stromfluss zuständig sind.

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Die eingesetzten Polymere dürfen keine Fehlstellen aufweisen oder sich im Laufe der Nutzungsphase verändern, was in der Praxis schwierig zu verwirklichen ist. An Verbesserungen wird intensiv geforscht. Inzwischen ist gelungen, ein Isolatormaterial zu entwickeln, das sich aufgrund seiner chemischen Struktur selbst organisiert und dauerhaft in eine bestimmte Richtung anordnet, so dass Fehlstellen ausbleiben.

Organische Elektronik im Alltag

Dünne, biegsame Folien mit integrierten Schaltkreisen finden sich in Chipkarten, Sensoren oder RFID-Systemen (engl.: radio frequency identification). Vor allem letztere sind für Industrie und Logistik interessant, denn damit können Waren sehr einfach und kostengünstig über die gesamte Logistikkette verfolgt werden.

Sogenanntes elektronisches Papier wird in e-Readern eingesetzt. Hier werden elektrisch leitende Polymere eingebaut, die durch Anlegen einer kleinen, äußeren Spannung ihre Farbe von schwarz zu weiß oder umgekehrt ändern können.

RFID Antenne
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OLED und organische Solarzellen

Die Abkürzung OLED steht für Organic Light Emitting Diode. Aufgebaut ist ein OLED-System aus mehreren dünnen Schichten organischer Polymere, mit lichtemittierenden Farbstoffen, die sich zwischen zwei Dünnschicht-Elektroden befinden. Typisch ist die Verwendung von Indium-Zinnoxid für die Anode und ein elektronenlieferndes Metall der zweiten oder dritten Hauptgruppe des Periodensystems, wie Magnesium oder Aluminium, für die Kathode. Durch Anlegen einer Spannung werden Elektronen von der Kathode in Richtung Anode transportiert. Dabei geben sie, vereinfacht beschrieben, ihre Energie an die Farbstoff Moleküle ab, wodurch sie in einen angeregten Zustand übergehen. Beim darauf folgenden Übergang in den Grundzustand emittieren sie Licht einer bestimmten Wellenlänge. Als lichtemittierende Farbstoffe eignen sich langkettige Polyphenylderivate, die jeweils blaues, grünes und rotes Licht emittieren, sodass die OLEDs insgesamt ein weißes Licht abgeben. Im Gegensatz zu LEDs wird dieses als warm und angenehm empfunden.

OLED-Schichten sind sehr dünn und können auf Folie gedruckt werden. Kleine OLED-Displays werden bereits heute in Smartphones verbaut, in Zukunft sollen auch größere OLED-Flächen möglich sein. Damit könnten dann selbstleuchtende Tapeten mit wechselnden Mustern oder auch Computer- oder Fernseh-Bildschirme, die an beliebigen Stellen „aufgeklebt“ werden, in absehbarer Zeit zur Realität werden.

OLED
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In organischen Solarzellen wird das Prinzip der OLEDs umgekehrt und einfallendes Licht in Strom umgewandelt. Organische Solarzellen haben nur ein geringes Gewicht, ihre Herstellung ist relativ einfach und im Vergleich zur energieintensiven Produktion konventioneller Solarzellen auf Siliziumbasis sind sie außerdem sehr viel umweltfreundlicher. Allerdings sind die erreichten Wirkungsgrade gegenüber der etablierten Siliziumtechnologie noch um einiges geringer. Unklar ist auch die Lebensdauer von organischen Solarmodulen.

Der Einsatzbereich für elektrisch leitfähige Polymere wird wachsen…

Elektrisch leitfähige Kunststoffe werden unseren Alltag weiter verändern. Vor allem für Produkte, die sich schnell, einfach und kostengünstig herstellen lassen, wie RFIDs zur Verfolgung von Warenketten, von Chipkarten oder Sensoren, ist das Potenzial noch lange nicht ausgereizt. Ob die organische Elektronik allerdings die konventionelle Elektronik auf Siliziumbasis ablöst, ist momentan eher unwahrscheinlich.

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Denn erstens sind die Kapazitäten und Taktzeiten, gerade bei organischen Computerchips oder Transistoren, noch viel geringer als bei herkömmlichen Schaltelementen und zweitens ist noch völlig ungeklärt, wie hoch die Lebensdauer dieser neuartigen Komponenten überhaupt ist.

Daher sehen Experten die organische Elektronik nicht als Konkurrenz zur konventionellen Elektronik, sondern eher als sinnvolle Ergänzung.

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.