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Elektrodialyse

« Ein Verfahren mit Zukunftspotential »

Batterien und Akkus nutzen elektrochemische Prozesse, um elektrische Energie unmittelbar aus chemischen Reaktionen zu gewinnen. Man kann diese Reaktionen auch umkehren und durch das Anlegen einer äußeren Spannung eine Reaktion oder einen Ionentransport erzwingen. Letzteres nutzt seit den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die zur Entsalzung von Meerwasser eingesetzte Elektrodialyse. Das Verfahren wird vor allem in Japan genutzt, um Natriumchlorid aus Meerwasser zu gewinnen – eine der wichtigsten Quellen für Speisesalz. Bedeutend ist die Elektrodialyse auch für andere Industriebereiche, beispielsweise zur Rückgewinnung von Metallen und Beizsäuren in der Galvanikindustrie, zur Entfernung von Nitrat aus Trinkwasser oder zur schonenden Entsalzung wässriger Lösungen in der Pharma- und Lebensmittelindustrie.

Die Verbindung aus Dialyse und Elektrochemie

Bei der Elektrodialyse werden ionische Spezies in einer Lösung mit Hilfe von semipermeablen, ionenselektiven Membranen in Zellen angereichert und so von Verunreinigungen und ungeladenen Lösungsbestandteilen abgetrennt. Der Dialyseprozess wird dabei durch das Anlegen einer äußeren Potenzialdifferenz unterstützt.

Vormontierter Elektrodialysestapel
Vormontierter Elektrodialysestapel

Die Ionen werden in Kompartimenten gesammelt

Eine Elektrodialyse-Apparatur besteht aus einer wechselseitigen Anordnung von Anionen- und Kationenaustauscher-Membranen zwischen zwei Elektroden, wobei bis zu 1000 Membranen nebeneinander gestapelt sind. In den Zwischenräumen, die jeweils eine Zelle oder Kammer bilden, befindet sich die Lösung mit den aufzutrennenden Ionen. Durch Anlegen einer elektrischen Spannung wandern die negativ geladenen Anionen zur Kathode, die positiv geladenen Kationen zur Anode. Trifft nun ein Anion auf eine Membran, die Anionen durchlässt, kann sie diese passieren. Danach folgt eine Kationenaustausch-Membran, die für das Anion unpassierbar ist, es bleibt folglich in dieser Kammer gefangen. Analog wandert von der anderen Seite das Kation durch die für Kationen durchlässige Membran, stößt dann aber auf eine nur für Anionen durchlässige Membran. Auch dieses Ion bleibt in der entsprechenden Kammer gefangen. So sammeln sich immer mehr Anionen bzw. Kationen in den Konzentratkammern an. Gleichzeitig verarmen die danebenliegenden Kammern, die Diluatkammern, an Ionen. Konzentrations- und Diluatkammern werden separat durchspült, wobei das Diluat laufend entfernt wird, während das Konzentrat fortwährend im Kreislauf geführt wird, um seine Konzentration weiter zu erhöhen.

Schematische Darstellung eines Elektrodialyse-Separators
© Maxxl2 in der Wikipedia auf Deutsch: Schematische Darstellung eines Elektrodialyse-Separators

Die äußeren Elektroden bauen das Potenzialgefälle auf

Die außen angebrachten Elektroden sind von den an den Membranen ablaufenden Prozessen getrennt und werden in einer separaten Kammer von einer elektrisch leitenden, wässerigen Elektrodenlösung umspült. Diese wird elektrolytisch zersetzt. Das dabei an der Kathode entstehende Wasserstoffgas und der an der Anode entstehende Sauerstoff müssen getrennt abgeführt werden, um ein Vermischen beider Gase zu gefährlichem Knallgas auszuschließen. Zur Verbesserung der Energieeffizienz der Elektrodialyse wird bei neueren Anlagen angestrebt, den Wasserstoff zu isolieren und ihn als Energieträger zu nutzen.

Schematische Darstellung der Synthese von Sauerstoff und Wasserstoff aus Wasser durch Elektrolyse
Schematische Darstellung der Synthese von Sauerstoff und Wasserstoff aus Wasser durch Elektrolyse

Ionenselektive Membranen

Um die Anforderungen der Elektrodialyse erfüllen zu können, ist eine spezielle Membrantechnik erforderlich. Eines der gängigsten Membranmaterialien ist Polystyrol (PS). Um die Ionenselektivität zu erreichen, wird es an der Oberfläche modifiziert – durch den Einbau von quaternären Aminen für anionenselektive Membranen und von Carbonsäure- oder Sulfonsäuregruppen für kationenselektive Membranen. Einige Membrantypen sind durch Polyvinylchlorid (PVC), Polypropylen (PP) oder Polyethylenterephthalat (PET) mechanisch verstärkt.

Die Bandbreite möglicher Anwendungen ist groß

Einsatz in der Nahrungsmittelindustrie und verwandten Bereichen

Die Elektrodialyse ist ein schonendes Verfahren, weshalb sie auch in der Lebensmittelchemie, Biotechnik und im Pharmabereich bevorzugt eingesetzt wird. Sie erfordert weder den zusätzlichen Einsatz von Chemikalien, noch müssen die Produkte ausgefällt, destilliert oder anderweitig manipuliert werden. Die Elektrodialyse wird für die Entsalzung von Molke, zur Entsäuerung von Fruchtsäften und für die Entfernung von Kaliumtartrat, dem sogenannten Weinstein, aus Weinen eingesetzt. In Forschungslaboratorien wird diese Form der Membrantechnik bereits als Alternative zur „normalen“ Dialyse von Proteinproben getestet, die üblicherweise gut und gerne einmal 24 Stunden dauern kann. Mit Hilfe der Elektrodialyse dauert der gesamte Prozess dagegen nur 5 bis 10 Minuten.

Kationenaustauscher-Membran für die Elektrodialyse - PP-verstärkt Dialyseschlauch-Trichter aus PP

Rückgewinnung von Metallsalzen und Säuren

In der Galvanikindustrie sowie der Batterie- und Akkufertigung fallen verbrauchte galvanische Bäder und Beizlösungen sowie säure- und schwermetallhaltige Lösungen und Spülwasser an. Die darin enthaltenen Metalle müssen vor der Entsorgung gefällt und die Säuren, wie Flußsäure und Schwefelsäure, neutralisiert werden. Alle diese Arbeiten sind teuer, denn einerseits werden zusätzliche Chemikalien für Neutralisation und Fällung eingesetzt, andererseits gehen wertvolle Stoffe verloren. Mit der Elektrodialyse können die in galvanischen Bädern, Beizlösungen und Spülwässern vorhandenen Metalle, wie Nickel- oder Kupfer, zurückgewonnen werden. Gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen lohnt sich diese Option auch wirtschaftlich. Außerdem können rückgewonnene Säuren wieder den Prozessen zugeführt werden, wodurch deren teure Entsorgung entfällt und sich gleichzeitig die Nutzungsdauer von Beiz- und Spülbädern verlängert.

Rückgewinnung von Metallsalzen
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Spezielle Verfahren für die Wasseraufbereitung

Für kommunale, vor allem aber für industrielle Abwässer ist die Elektrodialyse eine gute Alternative zur Umkehrosmose und anderen Techniken der Wasseraufbereitung, denn sie ist weniger anfällig für Schmutzfrachten. Ein großes Problem beim Einsatz der Membrantechnik besteht darin, dass im Laufe des Prozesses die Membranen durch Schmutzpartikel oder Salze, die auf ihrer Oberfläche ausfallen, verstopfen können. Dieses als „fouling“ bekannte Problem kann normalerweise nur durch den Austausch der Membranen gelöst werden. Die Elektrodialyse nutzt dagegen die sogenannte Polumkehr, bei der zu bestimmten Zeiten die Elektroden umgepolt werden, so dass die Ionen in die entgegengesetzte Richtung wandern. Dies führt dazu, dass sich Salze, die sich als Niederschlag auf den Membranen befinden, auflösen und in die Lösung zurück diffundieren. Auf diese Weise werden die Membranen gesäubert und deren Nutzungsdauer beträchtlich verlängert.

Dialyseschlauch aus Cellulosehydrat - Standard

Die Aufbereitung von Trinkwasser und Meerwasser

Für den Nitratgehalt im Trinkwasser gelten strenge Richtlinien. An vielen Orten werden durch die Landwirtschaft die Grenzwerte immer wieder überschritten und die Trinkwasseraufbereitung vor Probleme gestellt. Moderne Membrantechnik, die Membranen mit selektiven Ionenpermeabilitäten bereitstellt, hilft durch die Kombination aus Dialyse und Elektrochemie diese Grenzwertüberschreitung durch Elektrodialyse in den Griff zu bekommen und gilt als Methode der Wahl. Sie übertrifft insbesondere bei der sogenannten „Wasserausbeute“ die sonst häufig eingesetzte Umkehrosmose. Auch für die Entsalzung von Meerwasser wird sie neben anderen Methoden, wie der Umkehrosmose oder der Membrandestillation, immer noch eingesetzt.

DialysierzylinderDie Umkehr der Elektrodialyse als alternative Energiequelle

Wenn elektrischer Strom zur Dialyse genutzt werden kann, sollte im Umkehrschluss auch Strom aus dem Zusammenführen zweier Lösungen mit unterschiedlicher Ionenkonzentration gewonnen werden können. Diese Idee wird mit der sogenannten „Reversen Elektrodialyse“ (RED) in einer großtechnischen Pilotanlage an der Mündung vom Rhein in die Nordsee bereits getestet, wo sich die Ionenkonzentration des Meerwassers erheblich von der des Flusswassers unterscheidet. Durch ionenselektive Membranen getrennt, treten auf der einen Seite Chlorid-Ionen durch die anionenselektive semipermeable Membran, auf der anderen Seite Natrium-Ionen durch eine kationenselektive Membran. Dadurch entsteht eine Potenzialdifferenz, die abgegriffen werden kann.

Anionenaustauscher-Membran für die Elektrodialyse - PP-verstärkt Dialyseschlauch aus regenerierter Cellulose - Standard

So elegant die Idee ist, so schwierig ist ihre Umsetzung in der Praxis. Das größte Problem liegt in der Dauerhaftigkeit der Membranen, die durch Meer- und Flusswasser sehr schnell verschleißen. Sollten die technischen Probleme gelöst werden, könnte diese Art der Energiegewinnung an vielen Flussmündungen installiert und genutzt werden.

Die Elektrodialyse und ihre Varianten werden auch für die Zukunft sicher noch einiges bereithalten, woran wir heute noch gar nicht denken.


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Schematische Darstellung eines Elektrodialyse-Separators: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.