« Modernes Liquid Handling im Labor »
Jeder, der schon einmal in einem Labor gearbeitet hat, weiß dass Pipetten für das Handling mit Flüssigkeiten nicht mehr wegzudenken sind. Sie werden je nach Ausführung entweder zum einfachen Überführen oder auch zum genauen Dosieren verwendet. Laborpipetten sind einfache Dosiergeräte, mit denen der Anwender Flüssigkeitsmengen aus einem Laborgefäß aufnehmen und dann in ein zweites Gefäß überführen kann. Heute sind sie im Handel für Laborbedarf in verschiedensten Ausführungen erhältlich.
Kurze Geschichte der Pipette
Eine der allerersten Pipetten, wurde im 19. Jahrhundert vom Franzosen Louis Pasteur erfunden und trägt deshalb auch heute noch den Namen „Pasteurpipette“. Pasteur war Mitbegründer der medizinischen Mikrobiologie und entwickelte 1864 das nach ihm benannte Verfahren zum Haltbarmachen von Lebensmitteln durch kurzzeitiges Erwärmen auf 60 °C bis 100 °C.
Auch wenn man es sich heute schwer vorstellen kann, wurden bis Mitte des 20. Jahrhunderts kaum Pipettierhilfen verwendet; stattdessen war es üblich mit dem Mund zu pipettieren. Dies birgt natürlich besonders bei infektiösen, radioaktiven und toxischen Stoffen hohe Risiken und ist deshalb mittlerweile von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) strengstens verboten. Heinrich Schnitger erfand 1957 eine einfache Kolbenhubpipette, die einerseits die Problematik des Pipettierens mit dem Mund beseitigte und andererseits eine deutliche Erleichterung beim Transferieren von vielen kleinen Flüssigkeitsmengen darstellte.
Das Dosiergerät wurde Marburg-Pipette genannt. Es bestand aus einer Feder und einem Kolben und konnte Mengen im Milliliter-Bereich pipettieren. Nachdem der Prototyp zusammen mit der Firma Eppendorf optimiert worden war, wurde begonnen das Produkt unter dem Namen „Eppendorf-Pipette“ in Massenproduktion herzustellen und zu verkaufen. Die ersten Laborpipetten, bei denen das Volumen einstellbar war, wurden etwas später, nämlich in den 1970er Jahren, von Warren Gilsen und Henry Lardy entwickelt.
Die Erfindung der ersten Mikroliterpipette wird in der Literatur teilweise Schnitger und teilweise Gilsen zugeschrieben. Heute gibt es verschiedenste Pipettierhilfen und Pipetten, mit denen sogar Dosierungen im Pikolitermaßstab möglich sind. In modernen Laboren werden Flüssigkeiten auch durch robotergesteuerte Anlagen präzise dosiert.
Pasteurpipetten – Einwegpipetten aus Glas und Plastik
Bei der Pasteurpipette, manchmal auch Transferpipette genannt, handelt es sich um ein einfaches, am Ende zu einer Spitze ausgezogenes Glasrohr. Das Volumen ist mit 2 ml relativ klein, wobei keinerlei Graduierung vorhanden ist.
Als Pipettierhilfe sind kleine Gummisauger aus Kautschuk gebräuchlich. Auch Einwegpipetten aus Kunststoff werden häufig als Pasteurpipetten bezeichnet, wobei sie im Handel für Laborbedarf üblicherweise in Volumina von 1 bis 10 ml erhältlich sind. Sie sind in einem Stück aus flexiblem Low-Density Polyethylen (LDPE, Polyethylen niedriger Dichte) hergestellt inklusive Dosierhilfe am oberen Ende.
Im Gegensatz zur Glaspipette ist oft eine Graduierung vorhanden. Für das medizinische Labor sind auch sterile Einweg-Kunststoffpipetten erhältlich. Da solche Einwegpipetten nicht geeicht sind, sind sie lediglich für das Überführen von ungefähren Flüssigkeitsmengen oder zum tropfenweisen Dosieren geeignet.
Vollpipetten und Messpipetten
Wenn exakte Volumina benötigt werden, dann eignen sich Vollpipetten oder Messpipetten. Vollpipetten sind auf bestimmte Volumina, wie z. B. 25 ml geeicht. Im Grunde bestehen sie aus einem länglichen Rohr mit einem Glaskörper (eine dickere Stelle) in der Mitte und einer Ringmarke bzw. Eichstrich oberhalb des Glaskörpers. Messpipetten hingegen besitzen einen gleichbleibenden Durchmesser und eine Skala, sodass verschiedene Volumina abgemessen werden können, wobei die Genauigkeit von Messpipetten geringer ist als die von Vollpipetten.
Messpipetten aus Polystyrol (PS) zum Einwegbedarf sind ebenfalls handelsüblich und werden unter dem Namen “serologische Pipetten“ vertrieben. Der Messfehler ist höher als bei Glaspipetten, dafür sind sie einzeln verpackt steril erhältlich und werden oft in medizintechnischen Labors z. B. für die Arbeit mit Zellkulturen verwendet. Laborpipetten sind in aller Regel auf Ausfluss, also „auf Ex“ geeicht. Neben diesem Merkmal sind auf der Pipette in der Regel alle wichtigen Kennzahlen dargestellt, das Nennvolumen sowie die ± Toleranz. Außerdem gibt es verschiedene Qualitätsstufen, die durch A, B oder AS gekennzeichnet sind. In der folgenden Tabelle sind die verschiedenen Klassen gegenübergestellt.
Vergleich der Werte Toleranzen, Ablaufzeiten und Wartezeiten von 25 ml-Vollpipette verschiedener Klassen.
Klasse | Toleranz / % | Ablaufzeit / s | Wartezeit / s |
A | ± 0,13 | 25-50 | – |
AS | ± 0,13 | 10-15 | 15 |
B | ±0,32 | 10-50 | – |
Klasse A besitzt eine verengte Ablaufspitze, wodurch einerseits die Ablaufzeit verlängert wird, andererseits aber auch die Genauigkeit erhöht wird, indem die Restflüssigkeit an der Pipettenwand während der Ablaufzeit bereits nachlaufen kann. Klasse B besitzt kürzere Ablaufzeiten, dafür aber auch höhere Fehlergrenzen. Sehr gebräuchlich sind mittlerweile Pipetten der Klasse AS, welche eine schnellere Ablaufzeit haben und dennoch eine geringe Fehlertoleranz aufweisen. Wichtig ist hier zu beachten, dass eine Wartezeit von 15 s nötig ist, welche ebenfalls im Pipettenaufdruck zu finden ist. Richtig pipettieren ist nicht intuitiv, da eine ganze Reihe von Fehlern gemacht werden können.
Generell sollten Pipetten immer senkrecht gehalten werden. Eine kurze Anleitung zum Pipettieren mit Vollpipetten lautet:
- Die Pipette in die Lösung halten ohne den Boden zu berühren
- Flüssigkeit mit Hilfe einer Pipettierhilfe bis ca. 5 mm über der Eichmarke einsaugen
- unteren Bereich der Pipette abwischen
- langsam an der Glaswand des schräg gehaltenen Gefäßes auf das gewünschte Niveau ablassen. Wichtig ist bei der Kontrolle des Flüssigstandes, darauf zu achten, dass der tiefste Punkt des Meniskus den Eichstrich berührt und beim Ablesen diesen dazu auf Augenhöhe zu halten.
- Pipette in das Zielgefäß halten und die Flüssigkeit an der Glaswand ablaufen lassen, wobei das Gefäß wieder schräg gehalten wird
- Eventuell die Wartezeit einhalten und an der Glaswand abstreifen
Wenn noch ein Tropfen in der Pipette zurückbleibt, dann sollte man nicht versuchen diesen noch herauszuholen, denn dieser wurde bereits bei der Eichung der Pipette berücksichtigt.
Pipettierhilfen
Bei der Verwendung von Voll-, Mess- und serologischen Pipetten wird Flüssigkeit mit einer Pipettierhilfe angesaugt. Heutzutage ist es normal, dass eine ganze Reihe verschiedenster solcher Hilfsmittel im Laborzubehör vorhanden sind. Eins der gebräuchlichsten Produkte ist der Peleusball, erfunden durch Friedrich Pels Leusden. Der Peleusball wird besonders gerne wegen seine einfache Bedienung verwendet. Daneben sind auch einfachere Saugbälge, wie die Aspirette und der Howorka-Ball gebräuchlich, wobei diese beiden mehr Übung erfordern. Moderne Pipettierhilfen sind nicht nur manuell, sondern auch akkubetrieben erhältlich und die Pipettiergeschwindigkeit lässt sich einstellen. So lässt sich auch tropfenweise dosieren.
Mehrfachdispenser, Mikroliterpipetten und Mehrkanalpipetten
Bei Mikroliterpipetten und Mehrfachdispenser handelt es sich um Dosiergeräte, bei denen man in der Regel das gewünschte Volumen einstellen kann. Solche Laborpipetten weisen für kleine Flüssigkeitsmengen im µL-Bereich (in etwa 0,1 µl bis 5 ml) eine hohe Genauigkeit auf. Damit die Lösung nicht direkt in das Dosiergerät gezogen wird, werden Einwegaufsätze, die sogenannten Pipetten- bzw. Dispenserspitzen verwendet, welche während des gesamten Pipettiervorgangs nicht mit der Hand berührt werden sollten. Spezielle Boxen, in denen die Pipettenspitzen eingeordnet sind, ermöglichen das leichte Aufstecken.
Zum Entfernen der Pipettenspitze gibt es eine Abwurftaste, wodurch auch die Verwendung unter sterilen Bedingungen möglich ist.
Im Gegensatz zu Mikroliterpipetten bzw. normalen Laborpipetten, können Mehrfachdispenser eine größere Flüssigkeitsmenge aufsaugen, die dann in mehreren Portionen abgegeben werden, wodurch man nicht jedes Mal neu Flüssigkeit aufsaugen muss. Mehrkanalpipetten funktionieren vom Prinzip wie Mikroliterpipetten. Der Unterschied liegt darin, dass Flüssigkeiten nicht nur durch eine Pipettenspitze, sondern durch 8 bis 12 in einer Reihe positionierten Pipettenspitzen aufgesaugt und dosiert werden. Besonders in der Biologie und Medizintechnik bei der Verwendung mit Mikrotiterplatten spart die Verwendung dieser Dosierhilfe Zeit.
Was ist zu beachten beim Pipettieren?
- Einwegartikel
Beachten sollte man beim Gebrauch von Einwegplastikartikeln wie Pasteurpipetten oder Pipettenspitzen die Beständigkeit des verwendeten Kunststoffes gegenüber den eingesetzten Lösemittel. Da meist nur kurze Kontaktzeiten bestehen, ist die Gefahr, dass der Kunststoff angegriffen wird relativ gering. Es ist deshalb nicht unüblich, Einwegartikel auch mehrfach zu verwenden. Wenn der Kunststoff aber angegriffen wird, kann es zu erheblichen Dosierfehlern kommen.
- Benutzungsweise
Bevor man zu pipettieren anfängt, ist es wichtig zu überlegen, welche Pipettenart am besten für die Aufgabe geeignet ist. Mit in die Evaluierung sollten einbezogen werden: Das Volumen, welches Lösemittel und die erforderliche Genauigkeit. Um eine möglichst exaktes Volumen zu gewährleisten, ist auch der richtige Umgang mit der jeweiligen Laborpipette wichtig. Typische Fehler beim Pipettieren sind z. B. bei Mikropipetten, dass Flüssigkeit in die Pipette gelangt, z. B. durch Hinlegen der gefüllten Pipette; bei Glaspipetten passieren oft Fehler beim Ablesen des Meniskus.
Ein unbedingt zu beachtender Faktor bei Glaspipetten ist die korrekte Reinigung. Denn nur wenn die Pipette fettfrei und sauber ist, läuft die Flüssigkeit gut ab und es kommt nicht zu Verunreinigungen, was besonders bei sensiblen Anwendungen z. B. in der Spurenanalytik essentiell ist.