« Polymere für den unbedenklichen Kontakt mit Speisen und Getränken »
Ob als PET-Flasche, Verpackungsfolie, oder Schläuche in Maschinen zur Verarbeitung von Fleisch-, Fisch- , Geflügel- und Milchprodukten sowie in Anlagen zur Herstellung von Back- und Süßwaren oder im Haushalt als Aufbewahrungsboxen, Trinkbecher, Geschirr oder Kochbesteck – in vielen Bereichen kommen Kunststoffe mit Lebensmitteln in Berührung. Ein Kontakt, der selbstredend folgenlos bleiben soll: Bei all den vielfältigen Verwendungszwecken dürfen die eingesetzten Polymere die Lebensmittel nicht negativ beeinflussen. Der gesundheitlich unbedenkliche Verzehr der Speisen und Getränke muss dauerhaft ebenso gewährleistet sein wie der unveränderte Geschmack und Geruch der Nahrungsmittel.
Ein gebräuchliches Attribut für strenge gesetzliche Anforderungen
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Materialien, die diese Eigenschaften erfüllen, „lebensmittelecht“ genannt. Eine gesetzlich verankerte Definition ist dieser Terminus allerdings nicht. Denn in Deutschland gibt es weder eine Zulassungspflicht noch ein offizielles Zulassungsverfahren für sogenannte Lebensmittelkontaktmaterialien.
Das Attribut „Lebensmittelechtheit“ ist daher vielmehr als in der Industrie und der Öffentlichkeit weit verbreiteter und gebräuchlicher Kategorienbegriff für all die Materialien zu verstehen, welche den rechtlichen Anforderungen für den Kontakt mit Lebensmitteln entsprechen.
Keine Gesundheitsgefährdung durch Stoffübergang
Unter welchen Voraussetzungen ein spezieller Kunststoff als lebensmittelecht gilt, regeln in Deutschland die Richtlinien des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) und mehrerer EU-Verordnungen. Das Fundament des EU-Regelwerks bildet die Rahmenverordnung (EG) Nr. 1935/2004, die am 27. Oktober 2004 vom Europäischen Parlament und EU-Rat verabschiedet wurde. Sie zielt stringent auf die gesundheitliche Vorsorge der Verbraucher und verbietet es im Grundsatz, dass der Kontakt mit Materialien wie zum Beispiel Polymeren zu einem Stoffübergang auf das Lebensmittel führt.
Da jener allerdings technologisch nicht immer völlig vermeidbar ist, wurde in Artikel drei und der späteren Verordnung (EG) Nr. 2023/2006 über die gute Herstellungspraxis (GMP) eine eng formulierte Ausnahme eingeräumt: Demnach muss ein lebensmittelechter Kunststoff so hergestellt sein, dass seine stofflichen Bestandteile unter normalen und vorhersehbaren Verwendungsbedingungen nur in nicht gesundheitsgefährdenden Minimalmengen auf das Nahrungsmittel übergehen. Gleichzeitig darf er nicht die Zusammensetzung der Lebensmittel in unvertretbarer Weise verändern sowie deren Geschmack und Geruch beeinträchtigen.
Rechtswirksame Positivliste der EU für lebensmittelechte Kunststoffe
Explizit für Kunststoffe hat die Europäische Union vor sieben Jahren für die Lebensmittelindustrie die weitere Verordnung (EU) Nr. 10/2011 in Kraft gesetzt, welche eine verbindliche Positivliste der Monomere und Zusatzstoffe beinhaltet, die zur Produktion von Materialien und Gegenständen aus Kunststoff für den Lebensmittelkontakt verwendet werden dürfen.
Zuständig für die Bewertung von neuen Aufnahmeanträgen in die Positivliste ist die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA.
Den Fachgremien der EFSA gehören auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des deutschen Bundesamts für Risikobewertung (BfR) an, das seit 2002 die Arbeit des Bundesgesundheitsamts und dessen Nachfolgerbehörde, des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), fortsetzt. Das BfR berät die Bundesregierung unter anderem in allen Fragen der Lebensmittelsicherheit, betreibt eigene Forschungen zum Thema und spricht regelmäßig seine „BfR-Empfehlungen zu Materialien für den Lebensmittelkontakt (ehemals Kunststoff-Empfehlungen)“ aus, die in der Datenbank der Instituts-Homepage sowohl für Vertreter der Lebensmittelindustrie als auch für die breite Öffentlichkeit frei zugänglich ist.
Kontrollen durch die Bundesländer
Die Ungefährlichkeit von Kunststoffen im Kontakt mit Nahrungsmitteln, welche nach den juristischen Vorgaben die jeweiligen Hersteller sicherstellen müssen, wird in Deutschland von den Bundesländern überprüft. Sie kontrollieren die Einhaltung der geltenden Gesetze sowohl bei den Produzenten als auch im Handel. Zum einen werden die Kunststoff-Produkte und zum anderen die Lebensmittel auf übergegangene Stoffe untersucht.
Für Waren, die auch ins außereuropäische Ausland exportiert werden sollen, haben die Verkäufer zudem die weiteren länderspezifischen Richtlinien zu beachten. So müssen beispielsweise in den USA Bestimmungen der Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde „Food and Drug Administration“ (FDA) eingehalten werden wie etwa die FDA-Genehmigung für Rohmaterial.
Identifizierende Kennzeichnungen für die Konsumenten
Damit Verbraucher auf den ersten Blick erkennen können, ob Gegenstände oder Verpackungsmaterial aus Kunststoffen, die für den Kontakt mit Lebensmittel geeignet sind, hergestellt wurden, sind verschiedene Kennzeichnungen eingeführt worden. Das Logo aus einem stilisierten Becher plus Gabel bestätigen die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Materials ebenso wie die Angabe „Für Lebensmittelkontakt“ oder Beschreibungen des konkreten Verwendungszwecks.
Allerdings weist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit darauf hin, dass dieses Logo auf Gegenständen, in denen bereits Lebensmittel verpackt sind oder die aufgrund ihres Verwendungszwecks offensichtlich mit Speisen und Getränken in Berührung kommen, nicht zwingend angebracht sein muss.
Darüber hinaus gibt es die auf Waren angebrachten Recycling-Symbole, mit deren Hilfe jeder einzelne, lebensmittelechte Kunststoffe identifizieren kann. Im Zentrum des weithin bekannten Pfeildreiecks stehen immer die Codenummer und manchmal zusätzlich auch das Kurzzeichen des jeweiligen Polymers.
Polyethylenterephthalat (PET): das wohl populärste lebensmittelechte Polymer
Die Ziffer 01 im Logo kennzeichnet Polyethylenterephthalat, der wegen des verbreiteten Einsatzes in PET-Flaschen bei Konsumenten vermutlich bekannteste lebensmittelechte Kunststoff. Wegen seiner völligen Farblosigkeit und hohen Lichtdurchlässigkeit kommt er in der Lebensmittelindustrie sehr häufig zum Einsatz. Ohne Beschichtung besitzt Polyethylenterephthalat allerdings eine geringe Gasdichtigkeit, so dass für die Anwendung bei bestimmten Speisen und Getränken eine Diffusionsbarriere – in der Regel aus Siliciumdioxid – aufgebracht werden muss.
Die bei der Herstellung von Polyethylenterephthalat-Produkten entstehende Verbindung Acetaldehyd kann in geringen Mengen auf das Nahrungsmittel übergehen und den Geschmack leicht verändern.
Gleiches gilt für den Katalysator Antimontrioxid, für welchen in den EU-Verordnungen ein spezifisches Migrationslimit festgeschrieben ist: Der Grenzwert für den unbedenklichen Stoffübergang auf Lebensmittel liegt für Antimontrioxid bei 40 µg/L.
Ebenfalls für Lebensmittel geeignet:
Polyethylen in hoher Dichte (PE-HD) und geringer Dichte (PE-LD)
Auch Polyethylen, der quantitative Spitzenreiter in der weltweiten Kunststoffherstellung, fällt unter die Kategorie „lebensmittelecht“. In hoher Dichte (PE-HD bzw. HDPE) ist ihm im Pfeildreieck die Codenummer 02 zugeteilt, in geringer Dichte (PE-LD bzw. LDPE) die Ziffer 04. In Deutschland lag die Produktionsmenge von Polyethylen im Jahr 2015 bei rund 2,8 Millionen Tonnen. Wegen seiner starken Dehnbarkeit und hohen chemischen Beständigkeit wird der Thermoplast in der Lebensmittelindustrie vor allem für Verpackungs- und Frischhaltefolien verwendet. Polyethylen eignet sich aber auch als Material für dünnwandige Behälter oder stabile Rohre, die etwa in Anlagen zur Getränkeproduktion oder für die Trinkwasserversorgung verbaut werden können.
Polypropylen (PP) – ein gesundheitlich unbedenklicher Allrounder
Polypropylen (PP), der zweithäufigste Standardkunststoff nach Polyethylen mit ähnlichen Eigenschaften, wird ebenfalls in der Lebensmittelbranche vielfältig eingesetzt. Die zusätzlich vorhandene Methylgruppe des geruchlosen Polypropylens verbessert die mechanischen Eigenschaften in Bezug auf die Materialhärte und erhöht die Wärme-Beständigkeit im Vergleich zu Polyethylen. Allerdings weist es durch das tertiäre Kohlenstoffatom eine geringere chemische Beständigkeit auf. Das wirkt sich bei Raumtemperatur vor allem im Kontakt mit starken Oxidationsmittel aus; gegen Fette und die meisten organischen Lösungsmittel hingegen ist Polypropylen gut beständig.
Die Anwendungsvielfalt des Polypropylens in der Automobilindustrie, der Elektrotechnik, dem Bauwesen, der Textilbranche und dergleichen findet auch in der Verwendung als lebensmittelechter Kunststoff seinen Widerhall: Aus PP werden zum Beispiel Joghurt-Becher, Trinkhalme, Flaschenverschlüsse, Transport- und Aufbewahrungsbehälter für kalte und warme Speisen, kochfeste Folien, Kochbestecke, Innenteile der Geschirrspülmaschine und Verpackungsfolien hergestellt. Im Recycling-Logo besitzt der gesundheitlich unbedenkliche Allrounder die Codenummer 05.
Selten im Ernährungssektor angewendet: Polyvinylchlorid (PVC)
Die bis hierher ausgesparte Ziffer 03 im Pfeildreieck-Symbol steht für Polyvinylchlorid (PVC). Lebensmittelecht ist PVC aber nur unter zwei Voraussetzungen: Zum ersten, wenn es gänzlich weichmacherfrei ist. Allerdings eignet sich auch dann das Hart-PVC aufgrund seiner Härte, Sprödigkeit und gelblichen Eigenfärbung nicht sonderlich für den Einsatz in der Lebensmittelbranche.
Zum Zweiten, wenn das PVC ausschließlich lebensmittelechte Weichmacher enthält. Diese in der neueren Literatur beschriebenen Weichmacher auf der Basis von Zitronensäureestern, Adipinsäureestern und Co. sind jedoch sehr teuer. Wegen der hohen Kosten und der unvermindert unschönen Gelbfärbung bleibt das PVC daher ein für die Lebensmittelindustrie unattraktiver Kunststoff.