Polyethylen (PE) gehört mit zu jenen Kunststoffen, die sich wegen ihrer günstigen Materialeigenschaften einen breiten Anwendungsbereich erschlossen haben und zu einem unverzichtbaren Massenkunststoff geworden sind.
Polyethylen – der am häufigsten gebrauchte Kunststoff
Polyethylen, abgekürzt PE, ist unter den Kunststoffen der am meisten verwendete. Allein in Deutschland wurden 2015 insgesamt 18,5 Millionen Tonnen produziert und davon 12,1 Millionen Tonnen zu Kunststoffprodukten wie Schläuche oder Halbzeuge, wie Folien, Platten, Rundstäbe und Profile, weiterverarbeitet. Die übrige Menge wurde für die Herstellung von Lacken, Klebern oder Fasern verwendet oder in geringen Tonnagen auch exportiert.
PE findet vor allem in der Verpackungsindustrie Verwendung, denn das Material ist physiologisch unbedenklich, geschmacksneutral und geruchlos. Auch für Plastiktüten werden große Mengen an Polyethylen eingesetzt.
Einem Bericht des Umweltbundesamtes (BA) aus dem Jahre 2015 zufolge, verbraucht jeder EU-Bürger im Jahr mindestens 200 Plastiktüten aus Polyethylen und anderen Kunststoffen, die früher oder später im Müll, oft aber auch unkontrolliert in der Umwelt landen. Um diesem entgegen zu wirken, werden im Einzelhandel auf Plastiktüten seit 2018 Schutzgebühren erhoben. Die kostenlose Abgabe von Plastiktüten ist seither verboten. Inwieweit sich das EU-Plastiktütenverbot hier auswirkt, bleibt abzuwarten. Ab dem Jahre 2025 sollen Plastiktüten vollständig aus dem Handel verschwunden sein, darunter auch die liebgewonnenen Plastiktüten aus Polyethylen.
Polyethylen ist ein vielseitiger Kunststoff
Polyethylen ist in den Jahren nach 1950 zu einem Massenkunststoff geworden. Er hat viele positive Eigenschaften und kann sowohl durch das gewählte Herstellungsverfahren wie auch durch die Zugabe von Additiven dem jeweiligen Anwendungszweck angepasst hergestellt werden. Als thermoplastischer Kunststoff, der bei einer Temperatur über +80 °C erweicht, ist er gut verarbeitbar. PE ist gegenüber den meisten Säuren und Laugen, aber auch gegenüber Ölen, Fetten, Benzin und aliphatischen Kohlenwasserstoffen beständig. Aus diesem Grund sind für die Schlauchtechnik die auch mechanisch robusten PE-Schläuche unverzichtbar geworden. Nur bei oxidierenden Säuren, wie beispielsweise Salpetersäure, muss auf ein anderes Material ausgewichen werden.
Auch gegen UV-Strahlen ist die Beständigkeit nicht hoch, kann aber durch den Zusatz von Ruß als Additiv wesentlich verbessert werden. Die Lebensmittelindustrie verwendet Polyethylenfolien gerne als Verpackungsmaterial, denn neben der gesundheitlichen Unbedenklichkeit ist das Material gasdurchlässiger als andere Kunststoffe und nimmt insgesamt weniger Wasser auf. PE ist ein guter elektrischer Isolator, weshalb es auch für Kabelummantelungen und nichtleitende Bauteile in der Elektroindustrie Verwendung findet. Interessant für die Produktion unterschiedlicher Halbzeuge, Form- oder Bauteile ist die Tatsache, dass Polyethylen in unterschiedlicher Transparenz hergestellt werden kann – von fast ganz transparent bis zu völlig undurchsichtig. Auch andere Eigenschaften, wie die Dichte, Festigkeit oder Härte, können über das Herstellungsverfahren beeinflusst werden.
Verschiedene Herstellungsverfahren führen zu unterschiedlichen Kunststoffeigenschaften
LDPE
Bereits 1898 hatte der deutsche Chemiker Hans von Pechstein (1850 – 1902) die Polymerisation von Ethylen zu Polyethylen beschrieben, was zu jener Zeit jedoch noch keine Bedeutung fand. 1935 hatte der Chemiker Michael W. Perrin (1905 – 1988), der bei dem britischen Chemieunternehmen Imperial Chemical Industries (ICI) tätig war, ein industriell nutzbares Verfahren für die Herstellung von Polyethylen auf Basis von Ethanol (C2H5OH) entwickelt.
Doch erst nach weiteren chemisch-technischen Verbesserungen, vor allem aber durch den Einsatz von Ethylen (CH2=CH2) aus der Erdölraffinierung statt Ethanol, konnte ICI im Jahre 1940 die ständige Produktion von Polyethylen aufnehmen.
Die radikalische Polymerisation von Ethylen verläuft unter hohem Druck bei 150 bis 300 bar und Temperaturen um 300 °C. Sie ergibt ein Produkt mit stark verzweigten Polymerketten. Wegen seiner niedrigen Dichte von 0,92 – 0,93 g/cm³ wird das Hochdruck-Polyethylen als LDPE (engl.: low-density polyethylene) bezeichnet. Es zeichnet sich zudem durch einen niedrigen Schmelzpunkt aus und ist in reiner, virginaler Form weich.
HDPE
In den 1950er Jahren gelang den beiden Chemikern, dem Deutschen Karl Ziegler (1898 – 1973) und dem Italiener Giulio Natta (1903 – 1979) ein entscheidender Durchbruch in der Katalysatorforschung. Sie entdeckten die metallorganischen Katalysatoren, mit denen es gelang, Polyethylen bei wesentlich niedrigeren Temperaturen und geringeren Drücken, als Sie bei dem Verfahren von ICI erforderlich sind, zu gewinnen. Das auf diese Weise hergestellte Polymer verfügt nur über wenig verzweigte Polymerketten und damit über eine höhere Dichte von 0,94 bis 0,97 g/cm³ als das Hochdruck-Polyethylen. Daher wird es auch als HDPE (engl.: high-density polyethylene) bezeichnet.
Der Werkstoff ist wegen seiner höheren Kristallinität gegenüber LDPE insgesamt steifer, härter und weist eine höhere Abriebfestigkeit als LDPE auf.
Heutzutage werden neben den klassischen Ziegler-Natta-Katalysatoren auch neuere Katalysatoren genutzt, wie zum Beispiel die Kaminsky-Katalysatoren auf der Basis von Metallocenen, die von den beiden deutschen Chemikern Walter Kaminsky (*1941) und Hansjörg Sinn (*1929) entwickelt worden sind.
Flexible Verarbeitung
Neben der wirtschaftlichen Herstellungsweise ist die sich daran anschließende kostengünstige Verarbeitung des Kunststoffs zu Halbzeugen oder Fertigteilen wesentlich. Virginales Polyethylen, das als Pulver oder Granulat anfällt, kann als thermoplastischer Kunststoff mit nahezu allen klassischen Verarbeitungsverfahren weiter verarbeitet werden. Hierzu gehören neben dem Spritzgießen das Blasformen, das Extrudieren und das Kalandrieren. Aus Polyethylen können damit nicht nur Halbzeuge, wie Platten und Rundmaterialien gefertigt werden, sondern auch Folien, Schläuche und Rohre, ferner Behälter, Behälterauskleidungen und Flaschen sowie viele Kleinteile und Einmalartikel für den Medizin- und Laborbedarf.
Letztere ersetzen in vielen Fällen gleichfunktionelle Artikel aus Glas und erhöhen damit nicht unwesentlich die Arbeitssicherheit. Hinzu kommen zahllose Artikel für den alltäglichen Hausgebrauch, über die kaum noch nachgedacht wird.
Maßgeschneiderte Polymere
Neben dem Herstellungsverfahren verändern Additive, Copolymere oder nachgeschaltete chemische Behandlungen die Materialeigenschaften von Polyethylen. So werden PE-Materialien, die im Außenbereich zum Einsatz kommen, mit ca. 2 % Ruß versetzt, um die UV-Beständigkeit zu erhöhen. Sogenanntes „Schaumpolyethylen“ wird durch die Zugabe von Schäumungsmitteln in die Schmelze des Thermoplastes gewonnen und zu Isolierzwecken verwendet. Andere Möglichkeiten zur Aufwertung von Polyethylen bestehen darin, das Material nachträglich chemisch zu behandeln.
Die Chlorsulfonierung von PE mit elementarem Chlor (Cl2) und Schwefeldioxid (SO2) liefert ein elastisches Material, aus dem zum Beispiel strapazierfähige Fußbodenbeläge hergestellt werden.
Durch Copolymerisation ist es möglich, das Spektrum maßgeschneiderter Polymere auf der Basis von Polyethylen zu erweitern, etwa durch Copolymerisation von Ethylen und Vinylacetat. So wird durch Copolymerisation von Ethylen und Vinylacetat ein Copolymerisat erzeugt, das sehr schlagzäh ist und für Papierbeschichtungen verwendet oder zu speziellen Klebern weiterverarbeitet wird. Schließlich können durch UV-Strahlung oder mit chemischen Radikalbildnern auf Peroxidbasis sehr hoch vernetzte Polymere mit höherer Säurebeständigkeit gewonnen werden.
Nachwachsende Rohstoffe und Recyclingverfahren
In den letzten Jahren gab es vermehrt Anstrengungen, Polymere auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. In Brasilien wird bereits Bio-Polyethylen aus Ethanol, der aus Zuckerrohr stammt, produziert und damit das historische Verfahren von Perrin aus den 1930er Jahren mit den chemisch-technischen Mitteln von heute wiederbelebt. Der verbreitete Einsatz von Polyethylen, ob für Schläuche, Rohre, Folien oder andere Halb- und Werkzeuge, führt zu der Frage, was nach dem Lebensende mit den daraus gefertigten Produkten passiert.
Prinzipiell steht für thermoplastische Kunststoffe und damit auch für Polyethylen das werkstoffliche Recycling im Vordergrund.
Polyethylen ist schmelzbar und damit bis zu 100 % recyclingfähig. Da eine 4-5-malige Aufbereitung durchaus möglich ist, fällt die Ökobilanz von Polyethylen im Grunde gar nicht so schlecht aus. Allerdings kann Polyethylen nur sortenrein wieder aufbereitet werden, getrennt nach LDPE und HDPE und frei von Fremdbeimengungen – ein bislang für viele recyclebare Kunststoffe noch nicht befriedigend gelöstes Problem.