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Ventiltechnik

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Was passieren kann, wenn Ventilfunktionen und Ventiltechnik versagen, konnte man im Jahr 2010 bei der Deep Water Horizon-Katastrophe erleben: der Blow-Out Preventer, das zentrale Ventilsystem aus mehreren Absperrventilen, der das Austreten von Öl aus dem Bohrloch verhindern sollte, funktionierte nicht mehr und führte damit zu einer der größten Ölkatastrophen der jüngeren Geschichte. Dieses Beispiel zeigt die enorme Bedeutung der Ventiltechnik als sicherheitsrelevanter Bestandteil von Industrie- und Prozessanlagen. Sie muss deren Sicherheit mit verlässlich und einwandfrei funktionierenden Absperrventilen, Überdruck-, Entlüftungs- oder Sicherheitsventilen garantieren. Genauso werden Ventile für die Regelung, Verteilung und exakte Dosierung von Flüssigkeits- und Gasströmen in Betriebsanlagen, in Pilot- und Laborapparaturen eingesetzt und erfüllen hier ebenfalls vielfältige Funktionen.

Feuer auf Oel- und Gas-Produktionsplattform
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Anforderungen an moderne Ventiltechnik

Ventile sind mechanisch-technische Vorrichtungen zum Absperren, Drosseln oder Verteilen von Gas- und Flüssigkeitsströmen. Sie können sowohl für den Handbetrieb ausgelegt sein wie auch für externe Ansteuerungen. Je nach Einsatzgebiet müssen Ventile aggressiven oder korrosiven Medien, wie Säuren, Laugen oder Halogenen, und auch extremen äußeren Bedingungen, wie hohen Temperaturen und Drücken, standhalten. Daraus ergeben sich die besonderen Anforderungen an die jeweiligen Ventilfunktionen, an die für den Aufbau einzusetzenden Materialien sowie an die Ventilkonstruktion.

Für alle medienberührenden Bauteile können daher nur chemisch beständige Hochleistungs-Kunststoffe wie Polyetheretherketon (PEEK), Polytetrafluorethylen (PTFE), Polyvinylidenfluorid (PVDF) oder auch Edelstähle und Keramiken als Konstruktionsmaterialien eingesetzt werden.

Zur exakten Dosierung bzw. Steuerung von Durchflussmengen im Mikroliterbereich kommen meist miniaturisierte und daher platzsparende Mini-Magnetventile zum Einsatz. In Großanlagen der Industrie, wo Durchflüsse von einigen Tausend Litern pro Stunde notwendig werden können, sind vorzugsweise Kugelventile und Kegelventile im Einsatz. Auch sie müssen präzise einstellbar sein.

Schlauchquetschventil Standard mit 1 SchlauchFür die Regulierung von Durch- und Abflüssen in Wasserkanälen, Teichanlagen und Talsperren kommen hingegen Ventile mit Nennweiten bis zu mehreren Metern zum Einsatz. Hierfür werden oft sogenannte Johnson-Ventile eingesetzt, bei denen im Großmaßstab das bewährte Prinzip der Kugelventile mit beweglichen Absperrkörpern realisiert wird. Schließlich ist auch die sichere und leckagefreie Absperrung von flüssigen wie auch gasförmigen Medien gefragt, wie sie über Wegehähne oder Handabsperrventile verwirklicht wird.

Verschiedene Konstruktionsformen, wie Durchgangs- oder Eckventile, oder Bauformen, wie Kugel-, Sitz- oder Nadelventile, bieten für jede Fragestellung die geeignete Technik und erlauben vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

Mehrweg-Kugelhahn aus PP PVDF PFA gespritzt 3-Wege-Hahn aus PP PVDF T-Bohrung

Magnetventile für schnelle und präzise Schaltungen

Für präzise Steuerungen, die ein schnelles Schalten erfordern, kommen Magnetventile zum Einsatz, die, je nach Bauart, direkt oder indirekt angesteuert werden können. Als 3/2-Wege-Ventile eignen sie sich als Schaltventile für die Steuerung unterschiedlicher Flüssigkeitsströme.

2-Wege-Kompakt-Ventil aus PVDF2/2-Wege-Ventile werden hingegen zur Absperrung des Durchflusses eingesetzt. In modernen Analyseautomaten sowie in Gaschromatographen und HPLC-Anlagen werden wegen ihrer kompakten Bauweise fast immer Magnet-Ventile verbaut, um Gas- und Flüssigkeitsströme sehr schnell und exakt steuern zu können. Als größer dimensionierte Regelventile kommen sie im chemischen Apparate- und Maschinenbau sowie in der Steuer- und Regelungstechnik, in Versuchs-, Technikums- und Produktionsanlagen zum Einsatz.

Da Magnetventile sehr kompakt gebaut werden können, haben sie gegenüber anderen Ventiltypen den großen Vorteil, dass sie meist auch dort noch eingebaut werden können, wo wenig Platz vorhanden ist. Die Möglichkeit der direkten wie indirekten Ansteuerung führt zu ihrem breiten Einsatz sowohl in Labor als auch in Prozessanlagen der chemischen Großindustrie und in der Erdölverarbeitung.

Zähe und viskose Medien brauchen besondere Ventile

Membranventile sind sehr robuste Förderventile für Flüssigkeiten und Gase. Sie kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn die mechanischen Antriebsteile des Ventils nicht mit dem zu fördernden Medium selbst in Berührung kommen dürfen. Bei diesem Ventiltyp sind Ventilantrieb und Ventilkörper hermetisch voneinander getrennt.

Membranventil aus PVDF

Mithilfe von Membranventilen können auch viskose oder durch Feststoff-Partikel belastete Medien problemlos gefördert und dosiert werden. Bedingt durch die Konstruktionsart, welche für die Trennung von Medium und mechanischen Bauteilen maßgeblich ist, kann auch das Totraumvolumen praktisch vernachlässigt werden, was bei anderen Ventiltechniken und Ventiltypen meist nicht der Fall ist.

Chemische Industrie, Umwelt- oder Abwassertechnik nutzen Membranventile nicht nur, wenn zähe oder mit Feststoffen belastete Medien zu fördern sind, sondern auch wenn höhere Drücke oder hohe Durchflüsse gefragt sind.

Außerdem kann die Membran-Ventiltechnik mit einer pneumatischen Steuerung ausgestattet werden. Dadurch erweitert sich der Nutzungsbereich erheblich, etwa für Feldeinsätze in der Umweltforschung oder in Katastrophenfällen, wenn Elektroanschlüsse nicht (mehr) verfügbar sind.

Regulierung im kleinen Maßstab mit moderner Ventiltechnik

Moderne Ventiltechnik wird nicht nur in großen Industrieanlagen eingesetzt. Auch im Labor- und Technikumsbereich sind Regulierventile zur präzisen Einstellung von Medienflüssen gefragt, um kleine und kleinste Gas- und Flüssigkeitsströme einzustellen und zu verteilen.

Feinregulierventil gespritztNeben den bereits erwähnten Magnetventilen kommen Feinst-Stellventile als Regulierventile zum Einsatz, bei denen der Medienstrom über eine Präzisionsspindel per Hand eingestellt werden kann, aber auch mittels Schrittmotor-Antrieben äußerst genau und zuverlässig eingestellt werden kann. Als kleine und kompakte Baugruppen eignen sie sich für den Einbau in Laborapparaturen oder Pilotanlagen für die Förderung von korrosiven oder aggressiven Flüssigkeiten.

Für absolute Präzision und kleinste Flüssigkeitsmengen eignen sich schließlich Nadelventile, die auch zur Feinregulierung bei der Entnahme von Gasen aus Druckgasbehältern eingesetzt werden.

Ventiltechnik dient der Sicherheit

Die Sicherheit in Rohrleitungssystemen hängt wesentlich von der Zuverlässigkeit der Ventiltechnik ab, wie von Handabsperrventilen, Druckhalteventilen oder Rückschlagventile. Handabsperrventile dienen der sicheren, manuellen Absperrung von Leitungen, was im Havariefall von hohem Nutzen sein kann. Sie werden als Kompletteinheiten in Leitungen eingebaut, entweder durch Verschraubung oder durch Verschweißen. Ein selbsttätiges Öffnen, wie es zum Beispiel bei gewöhnlichen Kugelhähnen durchaus möglich sein kann, ist aufgrund ihrer Konstruktionsweise dieser Ventiltechnik praktisch ausgeschlossen.

Druckhalte- Ueberstroemventil aus PTFE rueckdrucksicher Handabsperrventil Schraegsitz aus PP

Druckhalteventile dienen der Konstanthaltung von Drücken in einem Rohrsystem sowie dem Abbau von Überdrücken. Als Überdruckventile werden sie unter anderem auch für den Schutz von Pumpen eingesetzt, um ihr „Trockenlaufen“ zu verhindern. Andererseits verhindern sie Druckanstiege, die einen festgelegten Grenzwert überschreiten, und dämpfen Druckspitzen, die beispielsweise bei einfachen Kolbenpumpen unvermeidlich sind. Überdruckventile ermöglichen das stoßarme Fördern von Flüssigkeiten und gewährleisten damit zugleich die Dosiergenauigkeit von Dosiersystemen.

Rueckschlagventil aus PP mit Tuellen Labor Rueckschlagventil Schraegsitz aus PVDF mit Schweissstutzen

Rückhalteventile, die auch Rückschlagventile genannt werden, sorgen dafür, dass ein Medium nur in eine Richtung strömen kann. Hierbei überwindet der Vordruck des zu fördernden Mediums die Gegenkraft der Rückstellfeder eines sogenannten Schließelements, das ähnlich einem Kugelventil aufgebaut ist. Ventiltechnik wie Rückschlagventile werden sowohl im Labor- und Technikumsbereich als auch im Großmaßstab immer dann eingebaut, wenn ein Medium nur in einer Richtung fließen darf und sein unkontrollierter Rückfluss unbedingt ausgeschlossen werden muss.

Moderne Ventiltechnik ist vielseitig und bietet durch unterschiedlichste Techniken, Bau- und Konstruktionsformen einen weiten Einsatzbereich vom Laborbereich bis in den Anlagenbau.

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.